Rückblick

In meinem letzten Blogbeitrag möchte darüber berichten, wie ich es empfand, nach zehneinhalb Monaten Namibia wieder nach Deutschland zu kommen und was der weltwärts-Freiwilligendienst jetzt (8 Monate nach meiner Rückkehr) noch für mich bedeutet.

Ich kann mich noch gut an meine ersten Tage in Deutschland erinnern. Ich landete an einem Donnerstag morgen in Frankfurt. Die Trauer über den Abschied, die ich die letzten Wochen und Tage in Namibia verspürt hatte, war ersteinmal wie weggeblasen. Die Freude, nun all das wiederzuhaben, was ich vermisst hatte überwog. Ich freute mich tierisch, meine Familie an jenem Donnerstag zu überraschen und wiederzusehen. Ich nutzte auch gleich die Chance, wieder zum Squashtraining zu gehen. Man hatte ich das vermisst, mit dem Schläger den Ball an die Wand zu donnern, die Gemeinschaft im Verein, … einfach alles daran. Am Freitag bekam ich Besuch von Freunden und am Samstag spielten wir beim Squash unsere Vereinsmeisterschaft aus. Ich freute mich einfach riesig, wieder dabei zu sein.

Dieses euphorische Hoch hielt aber in der Form nicht besonders lange an. Versteht mich nicht falsch, ich habe mich nicht direkt nach Namibia zurückgesehnt, aber ich merkte doch immer mehr, wie schwer ich mit manchen Dingen umgehen konnte.

Hier war einfach alles so anders. Beim Bäcker oder an der Supermarktkasse wurde ich schief angeguckt, wenn ich die Menschen mit einem freundlichen „Hi, wie geht‘s?“ begrüßte, es war kalt und regnete und ich musste mich auf einmal um so „Erwachsenenkram“ wie Krankenversicherung und einen „richtigen“ Job kümmern. In Namibia war das alles so unbeschwert. Hier arbeite ich wie auch dort in einer Schule, aber irgendwie ist es hier etwas anderes. Auch hier arbeite ich gerne in der Schule, aber letztendlich gehe ich dem Job nach, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen und mir den ein oder anderen Luxus leisten zu können. Bei meinem Freiwilligendienst war das anders. Klar, auch dafür habe ich etwas Geld und eine Unterkunft bekommen, aber letztendlich habe ich das ganze gemacht, weil ich unglaublich Bock darauf hatte. Ich habe förmlich den Traum gelebt. Ich bin jeden Tag gerne zur Schule gegangen, habe mit Kindern Sport machen dürfen, die eine unglaubliche Lust darauf hatten. Es ging nicht darum, ihnen irgendwas beizubringen, um es dann später abzufragen und ihnen anschließend eine Note dafür zu geben. Wie gesagt, ich bin auch hier in Deutschland gerne Lehrkraft (bzw. dabei es zu werden :D), aber es ist einfach etwas anderes, als wenn man jeden Tag in der Schule mit lächelnden Gesichtern begrüßt wird, weil so viele Kinder (nicht alle, aber wirklich viele) Lust darauf haben, endlich wieder mit dir Sport machen zu dürfen. Das war toll und dieses Gefühl vermisse ich schon manchmal.

Auch fiel es mir zunehmend schwerer, immer wieder die gleichen Fragen zu beantworten. Was antwortest du, wenn du gerade zehneinhalb Monate im Ausland verbracht hast und die Frage lautet: „Und… Wie wars?“ Der Versuch eine Frage nach einer solch langen Zeit in nur zwei Wörter zu verpacken kann doch eigentlich nur schief gehen. Nicht dass ich jetzt pauschal sagen könnte, wie man sich besser nach den Erlebnissen erkundigen könnte, aber wie man genau diese Frage gut beantworten soll weiß ich auch jetzt, ach Monate später immer noch nicht. Gut wars. Sehr gut sogar. Ja geradezu atemberaubend gut. Aber damit könnt ihr so sicher auch noch nichts anfangen. Klar, grundsätzlich wollte ich schon immer gerne über meine Erlebnisse sprechen, einfach auch um das alles selbst zu verarbeiten. Auf der anderen Seite konnte es glaube ich niemand so richtig gut nachempfinden und es war schwierig, alles Erlebte in Gesprächen irgendwie treffend rüberzubringen. Irgendwie hat doch jeder so seine Vorstellungen zum afrikanischen Kontinent. Viel differenzierter ist es ja häufig nicht, weil auch die Medien immer nur von „dem“ Afrika sprechen. Da passten meine Erlebnisse und Erfahrungen aus Ongwediva und der Arbeit an der Eluwa Resource School irgendwie nicht so richtig hinein. Und das machte Unterhaltungen darüber dann irgendwie anstrengend. Und dann fanden diese Unterhaltungen gerade in den ersten Tagen auch noch so unglaublich häufig statt. Klar, ich fand es cool, dass so viele sich dafür interessierten. Aber für mich bedeute das, jeder Person, die ich nun nach fast einem Jahr wieder sah, aufs Neue zu erzählen, „wie es denn in Namibia so war“. Auf Dauer halt irgendwie dann doch anstrengend.

Am liebsten habe ich mich daher mit meinen Mitfreiwilligen über unseren Freiwilligendienst unterhalten. Sie waren die einzigen, bei denen ich das Gefühl hatte, sie könnten sich so wirklich vorstellen wie ich mich dabei fühle, wenn ich davon erzähle. Die einzigen, die meine Erfahrungen wirklich ein Stück weit nachempfinden konnten. Deswegen war es auch unglaublich toll, Ende November (ca. zweieinhalb Monate nach unserer Rückkehr) unsere ganze Namibia-Truppe auf dem Rückkehrendenseminar in der Nähe von Göttingen zu treffen. Hier war Raum, sich über all die schönen Erinnerungen, die ersten Monate zurück in Deutschland und eben auch über all die Schwierigkeiten, die mit der Rückkehr verbunden waren auszutauschen, was enorm gut tat.

Auf dem Seminar haben wir uns auch kritisch mit dem weltwärts-Freiwilligendienst auseinandergesetzt. Braucht es die Entwicklungszusammenarbeit? Warum zahlt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung so viel Geld, damit junge Freiwillige aus Deutschland in ein fremdes Land gehen, um dort z.B. in Schulen zu arbeiten? Warum investiert man das Geld nicht vor Ort in die Ausbildung von Lehrkräften? Für mich ist trotz all dieser (mitunter berechtigten) Kritikpunkte klar, dass es sich bei weltwärts um ein unterstützenswertes Programm handelt. Es ist ein Programm zur interkulturellen Verständigung. Und es ist ein Lerndienst für die jungen Menschen, die diesen Antreten. Es ging mir nie darum „Entwicklungshilfe“ zu leisten. Was für ein blödes Wort. Als müssten wir Deutsche in Länder des globalen Südens reisen, um diese zu entwickeln. Nein …  Es ging mir in erster Linie darum, neue Kulturen kennenzulernen, etwas zu erleben und dabei nach Möglichkeit etwas sinnvolles zu tun und nicht nur durch die Gegend zu reisen. Ich habe während meiner Arbeit in Ongwediva so viel gelernt und ich denke, insbesondere die Kids an der Schule sicher auch das ein oder andere von mir lernen konnten. Aber ich war weit weg davon, dort „Entwicklungshilfe“ zu leisten und den Menschen dort bei Dingen zu helfen, die sie selbst nicht hinbekommen würden. Ich habe es allenfalls geschafft, Kindern (und gleichzeitig auch mir) ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern, indem ich mit ihnen Sport gemacht habe.

Dafür hätte es aber nicht mich, einen weißen Freiwilligen aus Deutschland gebraucht. Das könnten alle, die Spaß am Sport haben und die Möglichkeiten, so viel Zeit hineinzustecken, wie Hanna und ich es konnten. Und das konnten Hanna und ich, weil das BMZ diesen weltwärts-Freiwilligendienst finanziert, der ASC Göttingen die Organisation übernimmt und weil ihr gespendet habt, um die übrigen Kosten zu decken. So konnte für unsere Flüge, Versicherungen, Taschengeld, Unterkunft usw. gesorgt werden und Hanna und ich konnten relativ bedenkenlos all unsere Zeit in dieses Projekt stecken. Das war ein riesengroßes Privileg, für das ich unendlich dankbar bin! Und dieses Privileg kam in erster Linie uns zu gute und nicht etwa der Eluwa Resource School. Dort hätte jede Sportlehrkraft den Job genauso gut machen können, wie wir. Für all die jungen weltwärts-Freiwilligen ist es eine unglaubliche Chance, Neues zu lernen, neue Kulturen zu entdecken und unglaublich tolle Erfahrungen zu machen. Und genau auf diesem Weg tragen sie denke ich auch zu großem Maße zur iterkulturellen Verständigung bei, indem sie Erfahrungen aus Deutschland mit in andere Länder bringen und Erfahrungen von dort wieder nach Deutschland bringen. Das ganze gibt es übrigens auch anders herum. Unser Kumpel TC aus Namibia absolviert aktuell einen Freiwilligendienst bei den Füchsen Berlin und wird danach mit ganz vielen Erfahrungen im Gepäck wieder zurück nach Ongwediva kommen. So bietet weltwärts die Chance, dass wir alle gegenseitig voneinander lernen.

Abschließend möchte ich allen Spender*innen nochmal von ganzem Herzen Danken, dass ihr mir diese Erfahrungen und Erlebnisse ermöglicht habt und nochmal offenlegen, wofür euer Geld zum Einsatz kam. Zunächst verblieben 2.300€ eurer Spenden von vornherein beim ASC, um offene Kosten zu decken, die nicht vom BMZ getragen werden. Also dafür, um den ganzen Freiwilligendienst an sich überhaupt finanziell zu ermöglichen. Alle darüberhinausgehenden Spenden konnte ich (in Absprache mit dem ASC) zu 85% für eigene Projektideen vor Ort verwenden. Die übrigen 15% nutzte der ASC um Spendenlücken auszugleichen und zu sichern, dass das gesamte weltwärts-Programm des ASC Göttingen überhaupt am Leben bleiben kann. Nachfolgend eine Liste, wofür Hanna und ich unsere „überschüssigen“ Spenden verwendet haben:

  • Bau einer Sprunggrube
  • Anschaffung von Sportmaterial
    • Fußbälle
    • Torwarthandschuehe
    • Leibchen
    • Koordinationsleiter
    • Spikeball Sets und Ersatzteile
    • Schwimmgürtel
    • Großes Schwungtuch
  • Snacks für die Kinder bei Turnierfahrten
  • Catering-Abendessen beim Eenhana Girls Cup für 85 Kids
  • Busfahrt zum Eenhana Girls Cup
  • Verpflegung für unsere Gäste beim Eluwa Boys Cup
  • Busfahrt zum Winter Deaf Tournament in Eenhana
  • Neuer Trikotsatz

Hanna und ich waren beide in der privilegierten Situation, dass wir beide deutlich mehr als 2.300€ an spenden Sammeln konnten. So konnten wir eigentlich immer recht entspannt neue Projekte angehen, wissend, dass wir finanzielle Mittel dafür zur Verfügung haben. Dafür hier noch einmal meinen allerherzlichsten Dank an alle, die für meinen Freiwilligendienst gespendet haben! So habt ihr uns und in erster Linie den Kindern der Schule wirklich viele tolle Erlebnisse ermöglicht!

Trotzdem war der Einsatz der Spenden für uns nicht immer einfach und eine echte Abwägungssache. Wir wollten nicht das Klischee der reichen Weißen aus Deutschland bestätigen, die mit Geld um sich werfen, wo es vielleicht gar nicht gebraucht und gewollt wird. Auch wollten wir keine zu hohen Erwartungen seitens der Schule an die nächsten Freiwilligen schüren. Frei nach dem Motto: „Ach, da sind die nächsten Deutschen, die bringen wieder ordentlich Kohle an die Schule.“ So sollte es nicht sein und das ist auch nicht der Gedanke hinter dem Freiwilligendienst. In erster Linie kommen die Freiwilligen des ASC nicht mit Geld, sondern mit ihrer Arbeitskraft und vollem Einsatz für die Sache. Wie also verwenden, eure vielen Spenden?

Nun, zunächst war der Grundsatz: Alle Projekte möglichst gemeinsam mit Menschen vor Ort umsetzen. Die Sprunggrube ist ein gutes Beispiel. Wir sind nicht an die Schule gekommen und haben mal eben schnell das Ding dorthin gezimmert, sondern wir haben gefragt, wer uns dabei helfen möchte und ein großes Projekt für alle Kids daraus gemacht. Wir haben alle gemeinsam daran gebaut wodurch hoffentlich alle eine gewisse Verantwortlichkeit für das entstandene Produkt spüren.

Die angeschafften Sportutensilien sind ausdrücklich nicht Eigentum der Schule, sondern Inventar des ASC für die dortigen Freiwilligen. Wir haben sie stets zu Hause oder hinter verschlossenen Türen in der Schule verwahrt und entsprechend beschriftet, damit sie den nächsten Freiwilligen ebenso erhalten bleiben und zukünftige Freiwillige nicht an die Schule geholt werden, weil sie immer so viele Sachen für die Schule mitbringen, sondern weil sie eine tolle Arbeit mit den Kids leisten. Die Materialien die wir brauchten haben wir zum Teil mitgebracht, aber danach eben auch wieder mit nach Hause genommen. Das Materielle sollte nicht im Vordergrund stehen. Auch der Schulleitung gegenüber versuchten wir klar zu machen, dass wir z.B. nur durch eine hochgradig glückliche Situation in der Lage waren, über die Spenden den Bustransport nach Eenhana für ein Turnier zu finanzieren, was eigentlich im Aufgabenbereich der Schule gelegen hätte. Wir verdeutlichten, dass auch unsere Mittel schlichtweg Spenden sind und sowas nicht von allen zukünftigen Freiwilligen erwartet werden kann, was glaube ich auch verständnisvoll aufgenommen wurde.

Und der vielleicht wichtigste Punkt: Wir haben auch versucht, Partnerschaften vor Ort zu knüpfen. Die Run Along Foundation, über die ich in anderen Beiträgen bereits viel geschrieben habe, hat uns total viel ermöglicht und uns bei Ausflügen zu Sportturnieren, der Organisation von Turnieren, Anschaffung von Goalballs und Ermöglichung des Schwimmunterrichts einfach unglaublich viel geholfen. So bekamen viele Projekte ein ganz anderes Licht und auch vor Ort bestand plötzlich ein Interesse daran, dass all diese Dinge nach unserer Abreise weiterlaufen. Und das im Zweifel auch ohne die nächsten Freiwilligen, falls die genau dazu keine Lust haben sollten. Wir wollten eben nicht nur diejenigen sein, die kommen und ihr eigenes Ding durchziehen, sondern wir wollten gemeinsam mit anderen arbeiten. An der Stelle kommt dann wieder der interkulturelle Gedanke des Ganzen ins Spiel: Voneinander und miteinander Lernen und gemeinsam Dinge bewegen. Ich weiß nicht, ob uns das tatsächlich immer gelungen ist, aber wir haben permanent versucht, den Einsatz unserer Spenden zu reflektieren und möglichst gemeinsam mit allen Beteiligten zu handeln.

Ich fühle mich der Eluwa Resource School und dem Ort Ongwediva immer noch sehr verbunden. Ich denke gerne an die Zeit und an die vielen tollen Momente zurück, die ich dort erleben durfte. Ich bin zutiefst dankbar, diese Möglichkeit erhalten zu haben und versuche mir immer wieder vor Augen zu führen, was für ein riesiges Privileg das ganze war. Ich hoffe, ich konnte euch einen kleinen Einblick in meine Gefühlswelt geben. Damit schließe ich nun diesen Blog. Ich danke allen, die auf diesem Weg bei meinem ganz persönlichen Abenteuer mitgefiebert haben und mich dabei immer unterstützt haben.

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