Schuljahresstart, Interhouse- und Zonal-Athletics-Competition

Nun habe ich mich auf dem Blog schon wieder länger nicht gemeldet. Das liegt schlichtweg daran, dass es zu Beginn des neuen Schuljahres nicht so viel zu vermelden gab, da es relativ schleppend losging und anschließend so viel zu tun war, dass ich nicht dazu gekommen bin.

Am 10. Januar ging hier die Schule wieder los und wir hatten uns für das neue Schuljahr eine Menge vorgenommen. Zu Beginn mussten wir allerdings feststellen, dass der Schulstart an unserer Schule offenbar anders interpretiert wird, als ich es aus Deutschland gewohnt bin. Obwohl die Lehrkräfte schon ab dem 6. Januar arbeiten mussten, um Vorbereitungen organisatorischer Art zu treffen, gab es zum Schulstart noch keinen Stundenplan, keine fertigen Klassenlisten und Schulbücher wurden auch noch nicht verteilt. Das Resultat war, dass nur wenige Lehrkräfte tatsächlich unterrichteten. Viele haben in den Klassenräumen einfach nur ihre Zeit abgesessen, ohne die Schüler*innen wirklich zu beschäftigen. Dieser Zustand dauerte leider ganze drei Wochen an. Nachdem wir die ersten Tage erfolglos versucht haben, einen Stundenplan für uns zu bekommen, haben wir uns einfach selbst einen Plan erstellt und die Klassen nach unserem Ermessen eingeteilt. Nach diesem Plan sind wir in die Klassen gegangen und haben die dortigen Lehrkräfte (sofern anwesend) gefragt, ob die Schüler*innen beschäftigt sind, oder ob wir mit ihnen Sport machen dürfen. Wie gesagt war das in den allermeisten Fällen nicht der Fall, sodass wir problemlos Sport machen konnten.

In der zweiten Schulwoche (ab dem 17.01.) haben wir bei Lineas Netball-Training zugesehen, um den Sport kennenzulernen, der hier sehr populär ist. Von einem Sportlehrer einer anderen Schule haben wir dort erfahren, dass Ende Januar ein Leichtathletikturnier in Oshakati stattfinden sollte. Da wir sowieso eine Leichtathletikgruppe in der hearing impaired section eröffnen wollten, haben wir uns vorgenommen, mit einigen Schüler*innen an diesem Turnier teilzunehmen. Das Problem: Bis Ende der Woche sollte dafür eine schulinterne Interhouse-Competition durchgeführt werden, um die schnellsten Schüler*innen für das regionale Turnier in Oshakati auszuwählen. Es war also keine Zeit zu verlieren und das Abenteuer nahm seinen Lauf.

Wir starteten mit dem Training, der Planung und stellten gaaaaaanz viele Fragen: Wie sieht so eine schulinterne Interhouse-Competition aus? Wie viele Schüler*innen dürfen wir mit nach Oshakati nehmen? Gibt es für gehörlose Schüler*innen eine separate Konkurrenz? Wie kommen wir mit den Schüler*innen nach Oshakati? Dabei haben wir immer mehr neues über unsere Schule erfahren, z.B. dass es auch in der hearing impaired section ein Sport-Komitee gibt, welches dafür verantwortlich ist, solche Dinge zu organisieren. Bisher dachten wir, dass Sport dort überhaupt kein Thema sei und es keine verantwortlichen Personen dafür gäbe. Einen großen Teil der Planung haben dennoch wir übernommen.

Glücklicherweise hat der Sportverband die Frist für die Durchführung der schulinternen Turniere um eine Woche nach hinten verschoben, sodass wir anstatt nur drei Tagen ca. eine Woche Zeit für die Planung und Durchführung hatten – immer noch stressig genug. Nach und nach nahm die Planung immer mehr Form an. Nachmittags holten wir uns nach und nach die einzelnen Klassen und bereiteten die Kids auf das Turnier vor: Wir fokussierten uns auf den Sprint und übten dabei insbesondere den Tiefstart und stoppten die Zeiten für unsere improvisierte 100m-Bahn (von Tor zu Tor auf dem Fußballfeld). Es waren auf jeden Fall einige Schüler*innen dabei, die mich im Sprint um Längen geschlagen haben.

Am Mittwoch den 26.01. stand dann das Turnier an. Ich war ganz schön aufgeregt, ob alles so klappen wird, wie Hanna und ich es uns vorgestellt haben und wie es bei den Kids und Lehrkräften ankommen wird. Die Schüler*innen und Mitarbeiter*innen hatten wir zuvor in vier Teams (weiß, blau, gelb und rot) eingeteilt. Als wir dann schon früh morgens in der Schule ankamen, war ich einerseits total begeistert: viele Schüler*innen waren schon da und sogar passend zu ihren Teamfarben gekleidet (wie cool ist das denn bitte!?). Auf der anderen Seite war ich aber auch etwas genervt, dass von den Lehrkräften nur vereinzelte zu sehen waren, obwohl wir extra um Pünktlichkeit gebeten hatten, damit Hanna und ich nicht alles allein aufbauen müssen. Anstatt den Lehrkräften haben uns dann die Schüler*innen geholfen. Ein Teil der Lehrkräfte war aber super begeistert und engagiert dabei und hat uns das Leben somit wirklich leichter gemacht. Insbesondere die Zusammenarbeit mit Lina, Damian (beide selbst gehörlos) und Linea hat uns Spaß gemacht.

Interhouse-Competitions an der Eluwa Special School

Nachdem wir die Einzel- und Teamsieger ermittelt haben, mussten wir uns überlegen, wie viele Schüler*innen wir am Wochenende mit zum Turnier in Oshakati nehmen. Wir wollten natürlich so viele wie möglich dabei haben, um Ihnen die Möglichkeit für ein tolles Erlebnis zu geben und mal aus der Schule rauszukommen. Dafür mussten wir aber noch ein wenig Überzeugungsarbeit leisten. Ein Mitglied des Sport-Komitees (der obendrein noch eine führende Position im regionalen Schulsportverband inne hat) war der Meinung, es sei Zeitverschwendung, mit zu vielen Schüler*innen dort hin zu fahren, da sie eh nicht gewinnen und weiter kommen können. Diese regionalen Turniere werden als Qualifikation für nationale Turniere genutzt, bei denen „Special Kids“, wie er sie nannte, nicht inkludiert werden. Für visual impaired Kids gibt es paralympische Wettkämpfe auf nationaler Ebene, für hearing impaired Kids gibt es seiner Aussage nach nichts – warum sie nicht einfach im normalen Wettkampf mitberücksichtigt werden können erschließt sich mir bis heute nicht (dazu später mehr). Warum also mit zu vielen Kids dorthin fahren, wenn es eh keine weiteren Turniere gibt, für die sie sich qualifizieren können? Aus seiner Sicht hätte es sich nicht gelohnt. Für uns war das aber gerade ein Grund, mit so vielen wie möglich anzutreten. Da es sonst keine Möglichkeiten für Turniere gibt, wollten wir diese eben umso stärker nutzen. Unsere Schulleiterin hat uns dankenswerter Weise total in unserem Vorhaben unterstützt und nach einigen Diskussionen hat er es glücklicherweise akzeptiert und nicht weiter versucht, uns davon abzuhalten. Wir haben also die maximal erlaubte Teilnehmerzahl (3 Jungen und 3 Mädchen pro Disziplin und Altersgruppe) fast ausgeschöpft und sind mit 21 Schüler*innen der hearing impaired section angetreten.

Bevor am Samstag (29.01.) das besagte Turnier in Oshakati anstand, hat am Donnerstag noch die visual impaired section ihre Interhouse-Competition durchgeführt. Da sich in der section Esther und Atuhe (die beiden Sportlehrkräfte) um solche Angelegenheiten kümmern, mussten wir glücklicherweise im Vorfeld nicht mit planen, sondern haben an dem Tag lediglich die Zeiten gestoppt. Auch die Auswahl ihrer Schüler*innen für Samstag haben Atuhe und Esther vorgenommen. Aus dieser section kamen somit auch noch 17 Athlet*innen hinzu, sodass die Eluwa Special School beim Turnier in Oshakati mit insgesamt 38 Schüler*innen angetreten ist.

Wir wollten nicht, dass unsere Kids am Samstag das erste mal das Stadion in Oshakati sehen und am Wettkampftag total geflasht von den ganzen Eindrücken sind. Deshalb haben wir kurzfristig entschlossen, am Donnerstag Nachmittag mit den Jungs und am Freitag Nachmittag mit den Mädels ins Stadion zu fahren, um dort noch eine letzte Trainingseinheit vor dem Turnier abzuhalten. Linea, Lina und Damian haben uns dabei unterstützt. Trainingsinhalt war hauptsächlich das Kennenlernen des Stadions und erneut der Start. Die Kids sollten das Gefühl des Laufens auf der Tartanbahn kennenlernen und wirklich sicher auf verschiedene visuelle Startsignale reagieren, da wir nicht genau wussten, ob am Samstag eine Startklappe, Flagge o.Ä. genutzt werden wird. Ein Startsignal mit Pfeife kam für unsere gehörlosen Kids schließlich nicht in Frage.

Training im Oshakati Independence Stadium

Gefahren sind wir sowohl zum Training als auch zum Turnier mit dem Bakkie (Pick-up) der Schule. Eigentlich hat er nur zwei Sitze, aber wenn man die Ladefläche mit einrechnet, lassen sich damit neben dem Fahrer locker 16 Personen transportieren.

Nun war der Tag gekommen, auf den unsere ausgewählten Schüler*innen (und ich natürlich auch) schon total gespannt waren. Samstag 29.01.2022 – Zonal-Athletics-Competition, Oshana Zone 1, Oshakati Independence Stadium. Trotz Wochenende war an dem Tag nichts mit Ausschlafen… Um 7 Uhr sollten sich die ersten Schüler*innen auf den Weg nach Oshakati machen, wir mussten also schon vorher in der Schule sein, um sie zusammenzutrommeln und die Abfahrt zu organisieren. Pünktlich um 8 Uhr morgens (angesetzter Turnierstart) waren wir (Trainerteam: Lina, Linea, Damian, Hanna und ich) mit all unseren 21 Athlet*innen in Oshakati, wo wir (fast schon erwartungsgemäß) festgestellt haben, dass noch nichts vorbereitet war und der Zeitplan wohl nicht einzuhalten sein wird.

Gegen 9 Uhr wurden dann die Lehrkräfte zusammengerufen, um die „Officials“ (Schiedsrichter, Zeitnehmer, …) zu bestimmen. Auch das hat eine ganze Weile gedauert und den Start noch weiter nach hinten geschoben. Dann ging es mit ca. eineinhalb Stunden Verspätung endlich los und es wurden die ersten Disziplinen ausgerufen, zu denen die Athleten angemeldet werden sollten. Die Anmeldung erfolgte nämlich immer unmittelbar vor dem Start der jeweiligen Disziplinen. Eine vorherige Anmeldung sowie vorherige Aufgabenverteilung an die Lehrkräfte hätte sicher einige Zeitersparnis gebracht, aber wer schlägt sich nicht gerne die frühen Morgenstunden damit herum, zu warten, bis das Turnier los geht?

Bis die 100m-Sprintrennen starteten (die einzige Disziplin, in der unsere Kids antraten), verging noch eine Menge Zeit, die wir uns zwischendurch mit ein paar Aufwärmübungen verkürzt haben. Nachdem wir uns durch die total unorganisierte Anmeldung unserer U13-Kids gekämpft haben, konnte es dann aber endlich losgehen. Während Hanna weiter die undankbare Aufgabe auf sich genommen hat, unsere Schüler*innen der anderen Altersklassen anzumelden, sind Damian und ich mit zum Start gegangen, um die dortigen Anweisungen für unsere Schüler*innen in Gebärdensprache zu übersetzen und den Startsignalgeber darauf hinzuweisen, dass es zusätzlich zum akustischen Pfeifsignal ein optisches Startsignal mit einer Flagge bedarf. Leider hat er es nicht immer geschafft, das Signal so umzusetzen wie beschrieben, wodurch für ein paar unserer Schüler*innen ein echter Nachteil entstanden ist. Meistens hat es allerdings gut geklappt und ich bin echt stolz darauf, wie sich die Kids geschlagen haben. In der Regel liefen acht Schüler*innen verschiedener Schulen gleichzeitig gegeneinander und an der Ziellinie wurden von den ersten drei die Zeiten gemessen und notiert. Nicht wenige Mädels und Jungs von unserer Schule schafften es in ihren Läufen unter die ersten drei und somit auf die Liste, sowohl von den hearing als auch von den visual impaireds. Sie haben vom Start (das haben wir ja auch ausgiebig trainiert) bis ins Ziel auf ganzer Linie überzeugt und können mit ihren Leistungen sehr zufrieden sein.

Zonal-Athletics-Competition, Oshana Zone 1, Oshakati Independence Stadium

Nun kommt es aber zum nicht ganz so schönen Teil: Weil die „Special Kids“ (wie sie genannt wurden) nicht mit den „Normal Kids“ verglichen werden könnten, wurden ihre Zeiten auf eine extra Liste geschrieben. Das wurde uns zwar vorher schon angekündigt und hatte ich ja oben schon kurz geschrieben, trotzdem stößt es bei mir nach wie vor auf Unverständnis. Leichtathletik eignet sich als Sportart perfekt, um Gehörlose zu integrieren. Man braucht nur ein visuelles Startsignal und schon können Gehörlose ohne Probleme gegen Hörende antreten. Dass manchmal die Kids unserer Schule die Läufe für sich entschieden haben und mal die Kids anderer Schulen zeigt doch, wie gut sie miteinander verglichen werden können. Es fällt allerhöchstens organisatorischer Aufwand an (Übersetzung von Durchsagen, anderes Startsignal, …), den aber nicht die Turnierleitung bewältigen musste, das haben wir Betreuer*innen gemacht. Aktuell gibt es in Namibia keine Leichtathletikwettkämpfe für Gehörlose, für die sich unsere Kids hätten qualifizieren können. Aus meiner Sicht braucht es die aber auch nicht. Lasst sie doch einfach bei den regulären Wettkämpfen mitlaufen!

Dennoch war es insgesamt ein sehr guter Tag und ein gelungenes Event für uns und unsere Schüler*innen. Wir haben es auf jeden Fall geschafft Präsenz zu zeigen. Wir haben gezeigt, dass Gehörlose Kids mindestens genauso schnell rennen können wie andere. Ein Lehrer einer anderen Schule kam zwischendurch zu mir und meinte, dass wir unsere Schüler*innen sehr gut trainiert hätten und sie sehr schnell seien. Auch zwischen unseren und den Schüler*innen anderer Schulen haben wir es durch unsere Teilnahme geschafft, Kontakt herzustellen. Auf der Tribüne haben sich kleine Konversationen entwickelt und den anderen wurden einige Gebärden beigebracht, sodass sie traurig waren, als wir schon vor dem Turnierende wieder gefahren sind. Auch sie fanden es unfair, dass unsere Schüler*innen für Qualifikation für weitere Turniere nicht berücksichtigt wurden. Ich finde, das lässt sich auf jeden Fall als kleiner Erfolg verbuchen und bin sehr stolz, dass wir diesen Kids so ein Erlebnis ermöglichen konnten. Ich denke nicht, dass ohne unseren Einsatz eine Interhouse-Competition stattgefunden hätte und eine Turnierteilnahme in Oshakati möglich gewesen wäre. Da hat sich die ganze Planung und der Stress auf jeden Fall gelohnt.

Nach dem Turnier war ich zwar schon total K.O., der Tag war aber noch nicht vorbei. Bereits am Freitag sind unsere Mitfreiwilligen aus Okahao und Eenhana zu uns gekommen. Eigentlich wollten wir dann schon in eine Bar. Da sie aber erst sehr spät bei uns angekommen sind und Hanna und ich zu Hause geblieben (wir mussten ja wegen des Turniers am Samstag früh raus) und die anderen sind ohne uns losgezogen. Für den Samstag hatten wir uns aber fest vorgenommen, etwas zu unternehmen, da wir in meinen Geburtstag reinfeiern wollten, der ja am Sonntag war. Eigentlich waren wir allesamt ziemlich fertig, Hanna und ich vom Turnier und die anderen vom Vorabend. Trotzdem sind wir nochmal los und waren in einer entspannten Bar/Lounge und in einer anderen Bar, wo wir Billiard gespielt haben. Zwischendurch war die Musik so laut, dass man kaum noch sein eigenes Wort verstehen konnte. Also haben Hanna und ich unsere Gebärdensprachskills ausgepackt und uns eine ganze Zeit lang nur so unterhalten. Die anderen waren wahrscheinlich irgendwann etwas genervt davon aber ich fand es total cool, wie gut wir uns mittlerweile schon ohne Stimme und Ohren verständigen können.

Es war cool, hier in Ongwediva mal nachts unterwegs zu sein, das haben wir bisher nämlich noch gar nicht gemacht. Länger als bis kurz nach Mitternacht haben wir müdigkeitsbedingt allerdings nicht durchgehalten. Trotzdem war es ein schöner Start in meinen Geburtstag, den ich am nächsten Tag mit ausschlafen und ganz viel Ausruhen von der anstrengenden Woche und vom anstrengenden Vortag fortgesetzt habe.

Am daurauffolgenden Montag haben wir beim Assembly die Sieger*innen der Interhouse-Competition gekürt und Urkunden überreicht. Außerdem haben wir in der Woche endlich einen Stundenplan für die hearing impaired section bekommen (fast einen Monat nach Schulstart). Der Sportunterricht während der Schulzeit nimmt also so langsam seinen geregelten Lauf. Außerdem haben wir begonnen, ein regelmäßiges Nachmittagsprogramm, bestehend aus Schwimmstunden, Athletiktraining und Fußballtraining, für die Schüler*innen zu planen. Das wird allerdings erst in den nächsten Wochen so richtig anlaufen und ich werde auf dem Blog zu gegebener Zeit dann sicherlich wieder darüber berichten.