Nachdem wir im Village Weihnachten und eine traditionelle Hauseinweihungsfeier miterleben durften, hat Yuris Schwester Pawa sich bereiterklärt, uns am Montag, den 27.12. mit an die Küste zu nehmen, wo sie wohnt. Wir wollten uns dort schließlich mit allen Freiwilligen treffen, um gemeinsam Silvester zu feiern. Es ging schon früh los, um 5:30 Uhr morgens verließen wir Yuris Haus in Eenhana, wo wir allesamt geschlafen haben. Mit im Auto saßen Pawas Bruder Josephat, Vanessa, Hanna und ich. Trotz meiner Müdigkeit, konnte ich im Auto nicht richtig schlafen. Naja, dafür konnte ich den Sonnenaufgang sehen und die Veränderung der Landschaft mitverfolgen: Zuerst war die flache Landschaft total grün, dann wurde der Bewuchs immer weniger, dafür wurde es hügeliger. Irgendwann waren nur noch vereinzelte Bäume zu sehen, die dann nach und nach von Büschen und schließlich von der Wüste abgelöst wurden. Nach über 8 Stunden Autofahrt erreichten wir dann die Küstenstadt Swakopmund. Dort sind wir noch schnell für ein klassisches Touri-Foto ausgestiegen und ich habe direkt gemerkt: An der Küste herrscht ein ganz anderes Klima als bei uns im Norden. Es waren angenehme 25°C, die sich mit dem starken Wind aber schon ziemlich frisch anfühlten. Dann ging es weiter nach Walvis Bay, der benachbarten Küstenstadt, wo wir bei unseren Mitfreiwilligen Vanessa und Nils geschlafen haben. Dieser kurze Streckenabschnitt war dann auch noch wieder komplett anders als alles was wir bis dahin gesehen hatten. Rechts von uns der Atlantik, sobald man den Kopf gedreht hat, sah man auf der linken Seite die riesigen Sanddünen der Namib Wüste. Ganz schön krasse Gegensätze.
Die Fahrt vom Norden zur Küste
Nach der Ankunft und Stärkung in Walvis Bay, sind wir am ersten Abend mit einigen unserer Mitfreiwilligen noch an die Lagune gefahren, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Es war sehr schön, alle wiederzusehen und uns über unsere Projekte, Erlebnisse und das zurückliegende Weihnachtsfest auszutauschen. Sobald die Sonne unterging, wurde es dann richtig kühl, was wir aus dem Norden überhaupt nicht kennen. Trotz Jacke habe ich gefroren, wahrscheinlich habe ich mich einfach schon zu sehr daran gewöhnt, dass es bei uns in Ongwediva selbst abends um 10 Uhr gerne mal noch 30°C warm ist.
Am Dienstag und Mittwoch sind wir von Walvis Bay nach Swakopmund gefahren, um dort bei einem Fußballturnier zuzuschauen, bei dem viele Mitfreiwillige von uns mitgeholfen und mitgespielt haben. Außerdem sind wir ein bisschen durch die Stadt gelaufen. Der erste Eindruck: „Man ist das anders hier!” Im Gegensatz zu Ongwediva ist das wirklich ein Unterschied wie Tag und Nacht. In einigen Vierteln habe ich mich gefühlt wie in Deutschland. Es gibt Fachwerkhäuser, deutsche Buchhandlungen, unglaublich viele Weiße und an jeder Ecke hört man Leute deutsch sprechen. Das ist etwas, was ich aus Ongwediva so gar nicht mehr gewohnt war, da hier nur sehr sehr wenige Weiße leben. Für den Urlaub war es zwar auch mal ganz angenehm, in der Öffentlichkeit nicht so stark aufzufallen, weil es einfach mehr Weiße gibt, dennoch freue ich mich im Nachhinein, im Norden gelandet zu sein. In meiner Wahrnehmung, die auch von vielen Mitfreiwilligen geteilt wird, gibt es in den Küstenstädten eine ziemlich starke Trennung zwischen Schwarzen und Weißen. Es wirkte auf mich, als wenn im Stadtinneren viele Weiße wohnen, während in den Randbezirken bzw. Townships nur Schwarze leben. Eine solche Trennung habe ich hier in Ongwediva bisher gar nicht wahrgenommen, womit ich mich deutlich wohler fühle.
Dennoch ist Swakopmund natürlich eine schöne Stadt, die so richtigen Urlaubsflair verbreitet. Insbesondere die Spaziergänge am Strand und den Ausblick auf das Meer habe ich total genossen. Am Mittwoch Abend haben Hanna, Vanessa, Nils und ich Pawa in Long Beach besucht, die uns zum Abendessen eingeladen hat. Das war total cool, wir haben uns richtig gut mit ihr unterhalten und es gab ein wirklich leckeres Curry und Fisch. Das hat uns ein Mal mehr gezeigt, wie nett und gastfreundlich Yuris Familie ist und wie gut wir uns mit ihnen allen verstehen.
Sonnenuntergang an der Lagune in Walvis Bay und ein paar Eindrücke aus Swakopmund
Ab Mittwoch haben wir in einem Backpackers in Swakop geschlafen, wo am Donnerstag auch die anderen Freiwilligen aus Windhoek und Otjiwarongo dazugestoßen sind. Damit war unsere Freiwilligengruppe komplett. Nun waren alle 22 Namibia-Freiwilligen des ASC Göttingen an der Küste versammelt.
Nachdem Hanna und ich ein paar Besorgungen für unseren Roadtrip Richtung Norden gemacht haben, haben wir alle gemeinsam mit unseren Projektmanagerinnen Ulla und Natashja einen Strandtag verbracht. Auch das lief ein bisschen anders als ich es erwartet hätte. Wir haben die Autos nicht vorne abgestellt und sind zu Fuß zum Strand gelaufen, sondern sind einfach mit den Autos auf den Strand gefahren. Das scheint hier so üblich zu sein, jedenfalls stand der ganze Strand voller Autos. Dann schnell die Surfbretter, den Grill und den Windschutz von Pick-up abgeladen und aufgebaut und dann ging es auch schon ab ins richtig kalte Wasser. Außerdem haben wir gut mit allen gequatscht, Beach-Tennis gespielt und gegrillt. Abends ging es für uns dann auf eine Düne. Dort sind wir mit den Surfbrettern heruntergefahren und haben uns den Sonnenuntergang über dem Meer genossen.
Am Freitag war dann Silvester. Nach dem Frühstück haben wir alle gemeinsam eine geführte Quad-Tour gemacht. 90 Minuten lang hieß es: Mit Vollgas durch die Dünen. Der Fahrspaß gepaart mit dem schönen Ausblick auf die Dünen war eine richtig coole Erfahrung. Anschließend haben wir etwas gegessen, den Dome (eine große Sportanlage) besichtigt und ein wenig entspannt. Abends sind wir beim Inder essen gegangen und haben anschließend bei unseren Mitfreiwilligen aus Swakopmund unser Weihnachtswichteln nachgeholt. Ich habe eine traditionelle Schüssel und einen Holzbecher bekommen, um darin Oshikundu herzustellen und daraus zu trinken. Dann haben wir entspannt beisammen gesessen, gekickert und Tischtennis gespielt, bevor wir uns auf den Weg nach Long Beach gemacht haben, wo eine Party stattfinden sollte. Dort angekommen war zwar weit und breit keine Party zu sehen – es hat sich herausgestellt, dass wir dafür in die falsche Richtung gefahren sind – trotzdem konnten wir ein bisschen was vom Feuerwerk sehen und gut ins neue Jahr starten. Dort haben viele kleinere Gruppen gefeiert, die mit den Autos auf den Strand gefahren sind, Lagerfeuer gemacht und dabei Musik gehört haben. Schließlich haben wir uns einfach dazugesellt, uns mit anderen Leuten unterhalten, ein wenig getanzt und einfach den Abend genossen.
Als wir nachts eines der seltenen Taxis gesehen hatten, haben wir die Chance genutzt und sind damit zurück zu unserem Backbackers gefahren, während die meisten anderen noch länger geblieben sind. Dort haben Hanna und ich uns um 4 Uhr nachts schnell Badesachen angezogen und sind gemeinsam mit Lena noch runter ans Meer gegangen, um im neuen Jahr anzubaden. Es war zwar total kalt aber dennoch ein sehr cooles Gefühl.
Der nächste Tag gestaltete sich relativ entspannt. Ausschlafen, die Waschmaschine der Swakop-WG ausnutzen, um Wäsche zu waschen, ein bisschen am Strand entspannen und letzte Absprachen für den Urlaub tätigen, der am nächsten Tag losgehen sollte. Am Abend sind wir noch in den Soundgarden gegangen, wo wir bei entspannter Live-Musik etwas gegessen haben.
Strandtag, Sundowner, Quad-Tour und Wichtelgeschenk
Am nächsten Tag startete dann unser Roadtrip zurück in den Norden. Gemeinsam mit den 6 Freiwilligen aus Walvis Bay sowie Emily und Phil aus Eenhana haben wir uns mit zwei Autos auf den Weg Richtung Norden gemacht. Unser erstes Ziel war die Spitzkoppe, eine Felsformation ca. 2 Autostunden von der Küste entfernt. Leider sind wir erst um 13 Uhr losgefahren, hatten für den Tag aber noch ca. 700 km vor uns. So hatten wir leider keine Zeit, uns die Spitzkoppe wirklich aus der Nähe zu entdecken und haben sie nur aus der Entfernung angesehen und ein paar Fotos gemacht, bevor wir unsere Tour fortgesetzt haben. Im dunkeln erreichten wir dann die Guestfarm, auf der wir die erste Nacht campen wollten. Schnell die Zelte aufgebaut, etwas zu essen gekocht und dann ging es auch schon ab ins Bett, am nächsten Morgen wollten wir nämlich früh weiter zum Waterberg.
Die Spitzkoppe aus der Ferne
Gesagt getan, erreichten wir ihn dann um ca. 09:30 Uhr. Der Waterberg ist ein riesiges Felsplateau in der Nähe von Otjiwarongo. Vor allem geschichtlich hat dieser Berg eine riesengroße Bedeutung. Dort wurde eine Reihe sehr entscheidender Schlachten geschlagen, bei denen die Schutztruppe für Deutsch-Südwestaftika 1904 die Aufstände der Herrero blutig niederschlugen, sie in die Wüste trieben und ihnen den Zugang zur überlebenswichtigen Wasserversorgung verwehrten. Aus meiner Sicht ein schreckliches Verbrechen und eindeutig ein Völkermord, wenn man bedenkt, dass dabei ca. 80% des Herrerovolkes ihr Leben verloren. Der Waterberg ist also ein sehr bedeutender Ort für die deutsch-namibische Geschichte.
Nichtsdestotrotz ist er vor allem auch landschaftlich ein beeindruckender Anblick. Ein riesiges Plateau mit roten Felswänden. Wir haben uns einen Wanderweg gesucht und sind hinaufgestiegen. Von oben hatte man einen wirklich beeindruckenden Ausblick auf das weite flache Land. Oben sind wir ein wenig auf den Steinen herumgeklettert, haben den Ausblick genossen und Fotos geschossen, bevor wir uns wieder auf den Weg nach unten machten.
Anschließend besichtigten wir am Fuße des Bergs noch einen deutschen Friedhof mit Gedenkstätte für die während der Schlacht am Waterberg gefallenen Deutschen. Auf zahlreichen Gräbern und Gedenktafeln wird vom „Heldentod” deutscher Soldaten geschrieben. Inwiefern die Schlacht damals mit deutschem Heldentum zu tun haben soll ist mir schleierhaft. Inwiefern ist es heldenhaft, so viele weit schlechter ausgestattete Herrero-Krieger zu ermorden? Inwiefern ist es heldenhaft, die Überlebenden nach gewonnener Schlacht in die Wüste zu treiben und ihnen durch den Entzug des Wassers jegliche Überlebensaussichten zu nehmen? Klar waren es andere Zeiten, dennoch finde ich es zumindest diskussionswürdig, warum die Gedenktafeln in der Formulierung heute immer noch dort stehen dürfen. Zumal im Gegensatz dazu den gefallenen Herrerokriegern auf diesem Friedhof nur mit einer im Vergleich sehr kleinen Tafel gedacht wird (siehe Fotos). Aus meiner Sicht viel zu wenig, da ja nichtmal nur Krieger den Deutschen zum Opfer fielen. Der Befehlshaber Lothar von Trotha äußerte sich eindeutig: „Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herrero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber oder Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück, oder lasse auf sie schießen.“ Zwar weiß ich nicht, ob woanders am Waterberg noch eine größere Gedenkstätte für die gefallenen Herrero existiert, dennoch bin ich der Meinung, dass die deutsche Stätte dort nicht in der Form stehen sollte, ohne die damaligen Verbrechen angemessen aufzuarbeiten.
Wanderung auf den Waterberg und Besichtigung des deutschen Friedhofs
Nach dem Besuch des Waterbergs ging es für mich also mit gemischten Gefühlen weiter. Einerseits die tolle Landschaft und der atemberaubende Ausblick, auf der anderen Seite das Gedenken an die Verbrechen und das Unheil, was die deutschen Kolonialherren an dieser Stelle angerichtet haben.
Nach einem Tank- und Essensstop in Otjiwarongo ging es dann weiter zum Etosha National Park, den wir um 17 Uhr erreichten. Schon auf dem Weg zu unserer nächsten Unterkunft (dem Okaukuejo Camp im Nationalpark) konnten wir die ersten Tiere bestaunen: Springböcke, Oryx-Antilopen und ein paar entfernte Giraffen. Im Camp angekommen haben wir schnell unsere Zelte aufgebaut und uns dann auf dem Weg zum Wasserloch gemacht, welches sich direkt am Camp befand. Das war für mich das schönste Erlebnis im Etosha. Während die Sonne unterging hielten sich mehrere Nashörner am Wasserloch auf, in sicherem Abstand waren noch einige Giraffen zu sehen, die sich scheinbar nicht so recht zum Wasserloch getraut haben, während die Nashörner noch dort tranken und badeten. Das Stimmungsbild des Abends komplettierten riesige Vogelschwärme, die vor der rot schimmernden Sonne entlang flogen. Das war auf jeden Fall eine ganz besondere Stimmung an dem Abend. Wirklich schön, die Tiere nicht aus dem Auto heraus zu beobachten, sondern dabei auf einer Bank zu sitzen, alle Zeit der Welt zu haben und den Augenblick vollends genießen zu können.
Nachdem ich am Dienstag schon früh aufgestanden bin, um den Sonnenaufgang anzugucken, sind wir anschließend quer durch den ganzen Nationalpark gefahren. Die meiste Zeit habe ich dabei am Steuer gesessen. Das ist auch nochmal eine andere Erfahrung, nicht nur im Auto zu sitzen und mitzufahren, sondern gleichzeitig auf die Straße zu achten und zu versuchen, Tiere zu entdecken. Mein Highlight an diesem Tag waren drei Hyänen, die wir direkt am Morgen zu Gesicht bekamen und das Nashorn, welches sich direkt neben unserem Auto im Sand sulte. Diese Tiere haben wir bei unserem letzten Trip in den Etosha noch nicht zu gesehen. Aber auch ganz allgemein war es wieder schön, Tiere so zahlreich in freier Wildbahn zu sehen: Springböcke, Gnus, Giraffen, Zebras und Elefanten. Gegen Abend mussten wir uns dann noch ein bisschen beeilen, um nach fast 8 Stunden im Auto rechtzeitig aus dem Nationalpark herauszukommen. Hinter dem Ausgang hat sich unsere Reisegruppe dann getrennt. Vanessa, Emily, Phil, Hanna und ich sind weiter in den Norden gefahren, während die anderen fünf ihren Roadtrip in den nächsten Tagen noch fortgesetzt haben und zurück an die Küste gefahren sind.
Trip durch den Etosha National Park
Anschließend haben wir unser gemietetes Auto in Ondangwa wieder abgegeben. Von dort aus sind Vanessa, die anschließend noch 3 Tage bei uns zu Besuch war, Hanna und ich dann mit dem Taxi zurück nach Ongwediva gefahren, Phil und Emily haben sich auf den Heimweg nach Eenhana gemacht. So gingen 11 sehr ereignisreiche Tage für uns zu Ende: Erst das Weihnachtsfest im Village, dann der Trip an die Küste und das Treffen mit allen anderen Freiwilligen und schließlich der Roadtrip, auf dem wir wirklich nochmal viel gesehen und erlebt haben.
Insbesondere als wir am nächsten Tag einkaufen waren und ich hier in Ongwediva durch die Straßen gelaufen bin, habe ich mich aber auch richtig gefreut, wieder hier zu sein. Es fühlte sich schon ein bisschen wie nach Hause kommen an. Mittlerweile sind auch unsere Nachbarn wieder aus dem Village zurück und wir hatten ein freudiges Wiedersehen.
Nun freue ich mich schon wirklich darauf, dass am nächsten Montag die Schule wieder los geht, wir die Kids wiedersehen und ein paar Projekte in der Schule in Angriff nehmen können.
Vielen Dank für‘s Mitlesen, ihr hört von mir. :)
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Holger (Sonntag, 09 Januar 2022 17:16)
Vielen Dank für den wieder so schönen Einblick in deine Erlebnisse. Danke auch für deinen Eindruck und die Fragen zur Gedenkstätte am Waterberg. Ich sehe das zu 100 % wie du!
Hab weiterhin eine gute Zeit!
Sabine (Sonntag, 16 Januar 2022 21:00)
Hallo, ich habe heute Abend das erste Mal deine Berichte gelesen und die unglaublich tollen Bilder gesehen. Wahnsinn. Ja, Deutschland hat sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert in der Vergangenheit. Ich wünsche dir weiterhin eine schöne Zeit. Liebe Grüße