Es ist der 24. Dezember, im Auto sitzen Hanna, Vanessa, Yuri, seine Schwester Pawa und ich. Mehrere Stunden Autofahrt, die Landschaft ist grün und wird immer grüner je weiter wir fahren. Immer wieder kreuzen Kühe, Ziegen oder Esel die Straßen. Die Vorfreude steigt. Kurzer Zwischenstopp in einem Village und dann ein paar weitere „kurze” Zwischenstopps in Eenhana. Erst kurz (namibische Auslegung) einkaufen und dann noch ein Stopp bei Yuri. Das Auto wird immer voller und voller. Hier noch Getränke rein, dort noch etwas zu essen, … Dann geht es weiter und gegen 19:30 Uhr biegen wir plötzlich von der Hauptstraße ab in einen Feldweg. Der Sonnenuntergang ist beeindruckend. Ein paar Kilometer fahren wir durch Feldwege, nehmen hier und dort eine Abzweigung, links und rechts sind immer wieder Zäune aus Holzpfählen zu sehen, bis wir in der Abenddämmerung unser Ziel erreichen.
Dort waren wir also: „Welcome to Oshalande!” hieß es dann. Das ist der Name des Villages, in dem wir Weihnachten feiern wollten. Yuris Familie besitzt dort ein Haus und ein großes Stück Land, auf dem Landwirtschaft betrieben wird. In den Weihnachtsferien trifft sich dort immer die ganze Familie, um gemeinsam Weihnachten zu feiern. Wie im letzten Beitrag bereits angekündigt, wurden wir dieses Jahr eingeladen, dabei zu sein. Bei unserer Ankunft schienen erstmal alle beschäftigt. Es wurde gehakt, gekocht, Feuer gemacht, frisches Fleisch von einer Kuh verarbeitet, die tagsüber geschlachtet wurde, …
Und dann wurden wir auch schon ein bisschen durch das Haus geführt. Darunter muss man sich was anderes Vorstellen als unter einem Haus in der Stadt. Die Begrenzung bildet ein Holzzaun und keine Mauern und ein Dach, wie wir es gewohnt sind. Drinnen gibt es dann Räume, die aus Blech oder Steinen gebaut sind. Die Küche besteht aus mehreren Feuerstellen, über denen gekocht wird sowie einem Lagerraum und kleineren Hütten. Traditionell ist die Küche eher ein Frauenbereich, wo Männer nicht erlaubt sind. Auch die Männer haben traditionell einen eigenen Bereich mit einer Feuerstelle und drumherum Baumstämmen zum Sitzen. Dort wird dann bis spät in den Abend beim Feuer gesessen und es werden Geschichten erzählt. Die Traditionen werden aber in dieser Familie nicht mehr allzu eng gesehen. Es haben ebenso Männer in der Küche geholfen, wie Frauen und Kinder an der Feuerstelle beim Lagerfeuer saßen.
Eindrücke von dem Haus im Village
Nachdem wir ein bisschen was gesehen und alle begrüßt hatten, haben wir erstmal die Zelte aufgebaut, in denen wir schlafen sollten. Anschließend haben wir am Feuer gesessen, es gab ein Braai (BBQ) mit Fleisch von der geschlachteten Kuh und dazu braunes Pap (Mahangu-Brei). Dabei hat Yuri uns einiges über das Leben im Village und die Traditionen im Village erklärt sowie die „Toilette” gezeigt. An dem Tag ist die eigentliche Toilette leider kaputt gegangen. Also hieß es, raus auf das Feld, um die Geschäfte zu verrichten. Da es schon dunkel war, musste für den Weg mit der Handytaschenlampe geleuchtet werden.
Einen kleinen Schrecken habe ich bekommen, als einige der Kinder und Jugendlichen mit den Worten „We killed a snake!!!” um die Ecke kamen. Hatte ich da richtig gehört? Yuri meinte vorher noch zu uns, es gäbe hier keine gefährlichen Tiere, keine Raubkatzen und keine Schlangen. Und dabei hatte mein Zelt auch noch ein großes Loch kurz über dem Boden. Was, wenn mir so eine Schlange nachts einen Besuch abstattet? Yuri versuchte uns zu besänftigen und meinte, dass diese kleinen Schlangen nur Hühner jagen, um ihnen das Blut auszusaugen. So richtig beruhigt war ich dadurch noch nicht, aber ich bin in den Nächten glücklicherweise von Schlangenbesuchen verschont geblieben.
Nachdem all das erledigt war, wurde uns Bescheid gesagt, dass jetzt die devotion, eine kleine abendliche Andacht (Bibel lesen, Singen, Beten) beginnen. Also sind wir rein gegangen, um daran teilzunehmen. Wie man es bei uns von Heiligabend kennt, wurde die Weihnachtsgeschichte erzählt. Allerdings war nur die Familie für sich, es war kein offizieller Gottesdienst. Gesprochen wurde Oshivambo, Daughter (eine Nichte von Yuri) hat für uns ins Englische übersetzt. Nach der Geschichte, dem Singen und dem Beten haben wir Gute Nacht gesagt und uns für die Gastfreundschaft bedankt. Eunike und Peter (Yuris Eltern, auf dessen Grundstück in Ongwediva wir auch wohnen) schienen sich wirklich zu freuen, dass wir da sind. Das war ein schönes Gefühl. Danach hieß es Zähne putzen, Wasserflaschen auffüllen und ins Bett gehen. Es war schon nach 1 Uhr nachts und wir hatten uns um 6 Uhr morgens mit Yuri verabredet, der uns über das ganze Gelände führen wollte.
Dann kam der 25. Dezember, hier ist das der Hauptweihnachtstag. Da wir ja eine Verabredung mit Yuri hatten, sind wir pünktlich um 5:30 Uhr aufgestanden. Das war das erste Mal seit ich in Namibia bin, dass ich früh genug auf den Beinen war, um den Sonnenaufgang zu bewundern. Nachdem wir ein wenig auf Yuri warten mussten wurde aus dem versprochenen Rundgang erstmal nichts. Da die Familie die anderen Village-Bewohner*innen zu Weihnachten eingeladen hat, standen allerhand Vorbereitungen auf dem Programm. Wir sind daher mit dem Pick-up aufgebrochen, um einige Sachen aus anderen Häusern abzuholen. Auch dabei hat Yuri uns einiges über das Village erzählen können. So haben wir z.B. die Wasserstelle gesehen sowie die Häuser von Valentines Mutter und Tuhafenis Vater. Mit zwei Tischen, Geschirr und einer großen Zeltplane ging es dann wieder zurück. Dort angekommen haben Hanna und Vanessa beim Essen zubereiten geholfen und ich habe geholfen, große Holzpfähle zu holen und einzugraben, um die Zeltplane darüber zu spannen. In der Frühstückspause gab es Fleisch (wie sollte es auch anders sein) zusammen mit Toastbrot und Tee. Das Toastbrot war eine angenehme Alternative zum Fleisch, der Tee war sehr süß, aber lecker. Da Hanna und Vanessa kein Brot mehr abbekommen haben, sind wir mit Yuri später nochmal losgefahren, um im Village welches zu besorgen. Gar nicht so leicht, weil die Shops wegen der Feiertage geschlossen hatten. Irgendwann hatten wir aber doch Erfolg und haben einen kleinen Shop gefunden, der uns etwas Brot verkauft hat. Außerdem hat Yuri uns eine alte Militärbasis und ein kleines Krankenhaus gezeigt.
Wieder angekommen und mit frischem Brot gestärkt, haben Hanna und ich noch ein wenig bei den Essensvorbereitungen geholfen (Zwiebeln geschnitten und angebraten), bevor dann nach und nach die ersten Gäste eintrudelten. Schwer zu sagen, wie viele Gäste es insgesamt waren. Mit den ganzen Kindern waren wir insgesamt bestimmt 30 bis 40 Leute. Es gab Getränke und das Essen wurde bereits hergebracht. Wir haben neue Leute kennengelernt und nach einer Weile begonnen, mit Lot (Bruder von Valentine) Domino zu spielen. Die Ansammlung um den Tisch wurde größer und größer. Die Kids haben zugeschaut und andere wollten mitspielen. Nach einigen Runden wurde um Ruhe gebeten, damit Eunike und Peter (die Hausbesitzer) die Feier eröffnen konnten. Erst wurde gesungen, dann gebetet und dann gab es eine Vorstellungsrunde. Leider alles auf Oshivambo, sodass wir nichts verstanden haben. Netterweise hat Oletu für uns in Kurzfassung übersetzt. Die Worte von Peter und Eunike waren wirklich lieb, sie sagten, dass wir im Moment für sie wie ihre eigenen Kinder seien und sie uns deswegen sehr gerne willkommen heißen. Das war für uns eine große Ehre. Anschließend ging es zum Essen über. Es gab Reis, Nudelsalat, Fisch und natürlich Fleisch von der Kuh. Nach dem Essen haben Hanna und ich noch unsere selbstgebackenen Weihnachtskekse verteilt, die wir gebacken und als Dankeschön für die Gastfreundschaft mitgebracht haben. Danach ging es dann wieder zum Trinken, netten Beisammensein und Domino spielen über. Darüber hinaus stand die ein oder andere Fotosession auf dem Programm. Außerdem haben wir dort Abede getroffen, der taub ist. Wieder so eine schöne Begegnung, wo wir auch außerhalb der Schule unsere Gebärdensprachkenntnisse anwenden konnten. So nach und nach verließen dann die Gäste die Feier. Wir haben noch mit Daughter und Oletu unseren Tanz performt und gefilmt, den wir schon in Ongwediva einstudiert haben. Anschließend mussten die beiden los, weil sie in der Nähe von Eenhana bei den Vorbereitungen für eine traditionelle Feier am helfen mussten, die am nächsten Tag stattfinden sollte und zu der wir ebenfalls eingeladen waren. Wir sind anschließend noch mit den Kids Feuerholz holen gegangen, haben Geschirr gespült und den wirklich wieder atemberaubenden Sonnenuntergang bewundert, bevor wir dann schon früh völlig übermüdet ins Bett gegangen sind. Die Nacht zuvor war schließlich kurz.
Weihnachtsfeiertag im Village
Am 26.12. war die ganze Familie dann auf die Party in der Nähe von Eenhana eingeladen. Yuris Schwester hatte geheiratet und traditionell geht die Braut nach der Hochzeit mit in das Village, in dem der Mann aufgewachsen ist, der dort ein neues Haus errichten muss. Dieses Haus wurde mit der Feier eingeweiht.
Vorher hatten wir uns aber noch mit Yuri verabredet, damit er uns um das Farmgelände seiner Eltern führen konnte. Diesmal hat es geklappt und er zeigte uns alles: Hier wird Mahangu angebaut, dort sind unsere Kühe, hier die Ziegen, ... Auch das Stück Land, auf dem er später sein eigenes Haus errichten wird, hat er uns gezeigt. Es ist ein wirklich großes Gelände. Zwar waren nur 4 Kühe zu sehen, aber eigentlich haben sie über 60. Die ca. 70 Ziegen waren noch in einem Gatter eingesperrt, in dem sie nachts immer bleiben und wir konnten zugucken, wie Peter sie raus gelassen hat, um sie zur Wasserstelle zu bringen. Dieses Gatter wird jeden Monat an eine andere Stelle versetzt (also jeden Holzpfahl ausgraben und woanders wieder eingraben), denn der Dung, den die Tiere dort hinterlassen, soll Nährstoffe in den Boden bringen und so wird nach und nach das ganze Gelände gedüngt.
Wieder im Haus angekommen, haben wir die zuvor abgebauten Zelte zusammengeräumt und das Auto gepackt, bevor es dann nach einer kleinen Stärkung (diesmal nur Brot) los ging. Wir fuhren erstmal nach Eenhana, um uns dort noch ein wenig frisch machen und unsere Sachen abladen zu können. Der Plan war, in der Wohnung von Emily und Phil zu schlafen, die ja nicht da waren. In Erwartung von ihrer Vermieterin den Schlüssel zu bekommen, hat Pawa uns dort abgeladen und ist zu Yuri gefahren. Allerdings mussten wir kurze Zeit später feststellen, dass sie nur den Schlüssel für die Haustür, nicht für das Vorhängeschloss an der Gittertür hatte. Wir versuchten noch einige Minuten, das Schloss mit Hannas Haarspangen zu knacken, was uns aber nicht gelang. Also liefen wir doch noch zu Yuris Haus hinüber. Dort konnten wir dann duschen und später in der Nacht auch schlafen.
Nachdem sich alle schick gemacht hatten, sind wir dann losgefahren zur Party. Das Village war nur ca. 10km von Eenhana entfernt, also wirklich nicht weit. Wir haben an einem Haus angehalten, von wo aus wir mit einem Pick-up abgeholt wurden. Der Sand in den Feldwegen war so weich, dass selbst Pawas großer VW seine Schwierigkeiten hatte. Hanna, Vanessa und ich durften auf der Ladefläche stehen, während wir weiter zur eigentlichen Party gefahren wurden. Dann die Ankunft: Wir haben vor dem Haus angehalten, wo bereits zahlreiche Frauen und Männer in traditionellen Kleidern und mit Geschenken warteten. Das war der Zeitpunkt, zu dem ich dachte: Zum Glück habe ich mich für das Hemd entschieden und nicht für ein einfaches T-Shirt. Kurz darauf ging es auch schon weiter ins Haus, obwohl die Vorbereitungen noch gar nicht ganz abgeschlossen waren. Es stand ein großes Festzelt dort und die Stühle waren mit eleganten weißen Überziehern versehen. Das machte schon einiges her. Kurz halfen wir noch mit, Stühle wegzustellen, bevor wir mit Yuri raus gingen, wo im Schatten eines Baumes gegrillt wurde. Dort haben wir, bevor es richtig los ging, noch etwas Fleisch bekommen. Es gab sogar Hühnchen, sodass wir uns diesmal von dem anderen Fleisch fernhalten konnten, von dem wir ja die Tage zuvor schon zur Genüge hatten. Wir haben uns mit Yuri, Josephat, Lot und später noch mit einem Lehrer aus Oshakati unterhalten, die uns noch einiges über das Fest und die zugehörigen Traditionen erklärt haben.
Nach einer Weile kamen dann unter trillernden Rufen und mit lauter in Tüchern gehüllten Körben auf dem Kopf sehr viele Frauen in einer langen Schlange hintereinander in das Haus und gingen zielgenau zur Kochstelle. Die Körbe, die auf den Köpfen balanciert wurden, enthielten die Geschenke. Als die Übergabe dieser nach einer ganzen Weile vollbracht war, begaben sich die Gäste langsam in Richtung Festzelt. Innerhalb des Zeltes fanden die engeren Familienangehörigen der Gastgeber Platz, die restlichen Gäste (wie auch wir) auf Stühlen außerhalb. Dann wurden gaaanz viele Reden gehalten und gebetet. Leider auf Oshivambo, sodass wir nichts verstehen konnten. Nur weniges wurde für uns auf Englisch übersetzt. Nach den Reden konnten die Familien sich gegenseitig vorstellen. Anschließend wurden alle durch das Haus geführt. Immer wieder wurde uns hilfreich erklärt, was die einzelnen Räume zu bedeuten haben und welche traditionellen Regeln es dafür gibt. Z.B. wurde uns erklärt, dass der Schlafraum für die Frau der wichtigste Raum im Haus ist und deswegen immer im Zentrum gebaut wird und dass auch die Küche bei jedem Haus an der gleichen Stelle ist, damit Besucher*innen sich immer direkt zurechtfinden. Hanna und Vanessa übten sich dann noch darin, ebenfalls Körbe auf ihren Köpfen zu balancieren, wie wir es bei der Geschenkübergabe beobachten konnten. Während der Zeremonie kamen immer mehr Menschen dazu, die mitbekommen haben, dass dort etwas los ist. Die haben sich wie selbstverständlich dazu gesetzt und zugeschaut und später mit gegessen. Genau das hatte uns aber der Lehrer aus Oshakati schon angekündigt, dass das passieren wird. In dieser Kultur ist es üblich, bei Festen mit allen zu teilen, die vorbeikommen.
Zu Beginn des Essens bat Yuri mich, beim Servieren der Getränke zu helfen. Als alle versorgt waren und die Schlange am Buffet sich lichtete, haben wir uns ebenfalls angestellt. Zuvor haben wir noch Lot gefragt, ob er denkt, dass es in Ordnung ist, das Fleisch abzulehnen. Nach den Tagen im Village hatte ich echt genug davon, wollte aber natürlich nicht unhöflich sein. Da Lot sagte, es sei kein Problem, war ich froh und beließ es wirklich bei einer vegetarischen Mahlzeit: Kartoffelsalat, Reis, Rote Bete Salat, Spinat und ein Bohnenbrei. Über diese Vielfalt an vegetarischen Alternativen habe ich mich sehr gefreut.
Eindrücke von der Hauseinweihungsfeier im anderen Village
Beim und nach dem Essen war dann noch viel Zeit, um uns mit Daughter, Lot und anderen über alles Mögliche zu unterhalten. Anschließend noch kurz zum Feuer gegangen, wo die meisten anderen Jugendlichen und jungen Erwachsenen waren. Es wurden noch ein paar Selfies geschossen, bevor wir los mussten. Eigentlich schade, ich habe mich sehr wohl gefühlt und hätte noch viel mehr Zeit dort verbringen können. Aufgrund einer Planänderung mussten wir aber an dem Abend noch nach Ongwediva und wieder zurück fahren, um unser Gepäck zu holen, das wir mit an die Küste nehmen wollten. Pawa, die zwischen Swakopmund und Walvis Bay wohnt, hat uns nämlich am nächsten Tag mit an die Küste genommen, wo wir gemeinsam mit unseren Mitfreiwilligen Silvester feiern wollten. Damit dieser Beitrag nicht zu lang wird, werde ich über die Erlebnisse an der Küste und meinen Start in das neue Jahr im nächsten Beitrag berichten.
Das Weihnachtsfest war auf jeden Fall eine unglaublich schöne und interessante Erfahrung für mich. Zwar war es total verschieden von dem, was ich bisher unter Weihnachten kannte und es fühlte sich auch gar nicht so sehr nach Weihnachten an, aber insbesondere die riesige Gastfreundschaft im Village hat es mir leicht gemacht, mich dort sehr wohlzufühlen und die Tage dort zu genießen.
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