Nun ist es endlich so weit. Die Sachen sind gepackt und die meisten Vorbereitungen sind erledigt, als Hanna und ich am Freitag Abend (24.06.) in den Intercape steigen, um nach Windhoek zu fahren. Wir brechen auf, um eine fünftägige Wanderung durch den zweitgrößten Canyon der Welt zu unternehmen. Unterwegs fernab der Zivilisation, ohne jegliche Luxuriösitäten wie Strom und fließend Wasser. Alles, was wir für diese fünf Tage brauchen, müssen wir mit uns tragen. Was für ein Abenteuer, auf das ich mich schon seit vielen Monaten freue und das nun endlich los geht! In Windhoek besorgen wir die letzten Lebensmittel. Nun haben wir alles beisammen und sind hoffentlich gut gerüstet für das Abenteuer.
Am Samstag Abend stößt Vanessa aus Walvis Bay zu uns, die ebenfalls mit uns wandern wird. Unser Dreierteam ist vollständig. Eine Nacht verbringen wir noch in Windhoek, bevor wir am Sonntag morgen unseren Guide und den Rest unserer Wandergruppe treffen. Wir wandern nicht allein sondern in einer Gruppe von 13 Personen. Die Gruppe ist ziemlich durchmischt. Einige haben die Wanderung in der Vergangenheit schon einmal unternommen, für andere (wie auch für mich) ist es die erste mehrtägige Wanderung überhaupt. Das Gepäck wird verstaut und nun liegen erstmal gute 8 Stunden Autofahrt vor uns, bevor wir das Ai-Ais Camp an den südlichen Ausläufern des Canyons erreichen. Hier verbringen wir die letzte Nacht in richtigen Betten, bevor wir die nächsten vier Nächte in der Wildnis übernachten werden. Beim gemeinsamen Abendessen gibt es ein paar Instruktionen für die nächsten Tage und wir haben die Möglichkeit, unsere Wandergruppe besser kennenzulernen und uns gegenseitig über die Vorbereitung auszutauschen: „Was werdet ihr zu essen kochen?“, „Was habt ihr alles dabei?“, „Braucht man wirklich ein Zelt?“ Unser Guide Lorenzo stattet uns mit einer kleinen Karte aus und erklärt uns die geplante Route und die Übernachtungsplätze. Nach dem Essen gehen wir auch schon ins Bett. Schließlich wollen wir morgen gut ausgeschlafen in das Abenteuer starten.
Karte und Plan für die Wanderung
Tag 1
Am nächsten Morgen wird es ernst. Ich bin aufgeregt und voller Vorfreude zugleich. Mit einem Frühstück in Ai-Ais können wir uns nochmal stärken. Ein letztes Mal für die nächsten 5 Tage esse ich Toast mit Käse. Im Canyon wird mein Frühstück aus Haferflocken-Shoko-Porridge bestehen. Als wir uns mit den anderen über das Rucksackgewicht unterhalten komme ich ins zweifeln. Mein Rucksack wiegt 18 kg. Mehr als die eigentlich als Höchstgewicht angegebenen 20 % meines Körpergewichts. Auch gefühlt alle anderen Rucksäcke scheinen leichter zu sein. Was kann ich also hier lassen? Die Wahl fällt auf eine lange Hose und Quetschies (zu viel Gewicht für zu wenig Kalorien). Außerdem nimmt Vanessa mir unsere Ersatzgaskartusche ab. Mehr kann ich wirklich nicht entbehren denke ich mir: Zelt, Gaskocher, Essen... Das brauche ich. Immerhin einen Kilo bin ich losgeworden, sodass ich mich mit 17 kg Gepäck in unseren Bus steige, der uns von Ai-Ais zum Start des Hiking Trails bringt. Die Stimmung in der Gruppe ist überaus gut. Viel Vorfreude gepaart mit etwas Nervosität.
In Hobas halten wir nochmal kurz an, damit unser Guide Lorenzo den nötigen Papierkram erledigen kann. Wir müssen noch letzte Formulare unterzeichnen, dass wir die Wanderung auf eigene Gefahr unternehmen und selbst für uns verantwortlich sind. Der Stopp dauert insgesamt locker 30 Minuten und ich werde langsam ungeduldig und kann es gar nicht abwarten, bis es endlich hinab in den Canyon geht. Also erstmal noch eine Runde dehnen und Muskeln und Gelenke aufwärmen - kann ja nicht schaden. Endlich kommt die Nachricht: es geht los! Ab da ging alles ganz schnell. Die 10 km bis zum Start des Trails verfliegen, dann heißt es Rucksäcke auf, noch ein Gruppenbild und auf geht's. Zum Glück war ich vorher schonmal dort, um den Ausblick zu bewundern, hier hatten wir gar nicht so viel Zeit dafür. Außerdem bin ich so nicht mehr ganz so überwältigt vom Anblick des Abstiegs, ich habe ihn schließlich schonmal gesehen.
Wir starten zeitgleich mit einer anderen Reisegruppe. Der Abstieg ist wie erwartet herausfordernd. Über Felsen und Geröll geht es teilweise so steil steil hinunter, dass ich mich erstmal auf den Hintern setze und den ein oder anderen Stein hinunter rutsche. Die einzige Sicherheit bietet eine Kette zum Festhalten und das Vertrauen in meine eigenen Füße. Das ganze noch mit dem ungewohnten Gefühl, einen großen Rucksack auf dem Rücken zu tragen. Da schaukelt es mich schon manchmal nach links und nach rechts. Ich muss mich richtig konzentrieren und habe kaum eine Möglichkeit, mich Mal umzusehen und den Blick zu genießen. Zu groß ist die Gefahr, den Fuß falsch zu setzen und abzurutschen. Dennoch macht mir der Abstieg immensen Spaß. Unsere Gruppe zieht sich schon jetzt etwas auseinander. Ich laufe relativ weit vorne. Die meiste Zeit gemeinsam mit Vanessa und Hanna oder zumindest in Sichtweite. Zwischendurch sehe ich immer wieder das grünlich schimmernde Wasser des Fish Rivers. Nach einer Stunde Abstieg erreichen wir es. Es ist viel klarer als es der grünliche Schimmer von oben vermuten ließ. Es ist Zeit für eine Pause. Im Schatten eines Felsens sitzen schon andere Menschen und brutzeln sich ihre erste Canyonmahlzeit über dem Gaskocher. Ich begnüge mich mit einem Müsliriegel, einem Apfel und ein paar Nüssen. Außerdem zapfe ich das erste Wasser aus dem Fluss mit meiner Filterflasche und stelle fest, dass es deutlich besser schmeckt als das Leitungswasser in Ai-Ais. Während der Pause gibt es genug Zeit, die Schönheit des Flusses und den tollen Blick hinauf zur Canyon-Kante in sich aufzusaugen. Atemberaubend, wo bekommt man das sonst? Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich nun tatsächlich mitten im Canyon stehe und im Begriff bin, die Wanderung zu unternehmen, die ich mir gemeinsam mit Hanna schon vor meiner Ausreise nach Namibia vorgenommen hatte.
Nach der ausgiebigen Pause gehen wir Weiter. Immer dem Fluss entlang. Abwechselnd durch ziemlich tiefen Sand und über große runde Steine und Felsen. Ein anstrengender Untergrund zum Laufen, doch die Begeisterung über den Canyon und die Schönheit der Landschaft machen das ganze wett. Eigentlich wollen wir an diesem Tag laut Plan nur 2,5 km wandern. Wir fragen uns schon die ganze Zeit, ob der erste Campingspot nicht langsam kommen müsste als klar wird, dass wir heute schon ein bisschen weiter laufen. Gegen 14:45 Uhr finden wir einen wirklich sehr schönen Platz, um unser Camp aufzuschlagen. Insgesamt sind wir heute bestimmt ein oder zwei km weiter gelaufen als geplant. Schon vor dem Aufbauen des Zeltes gehen wir das erste Mal im Fish River baden. Es ist sehr kalt, aber auch sehr schön. Noch nie war ich vorher in so schöner Kulisse baden. Inmitten von grauen Felsen, die das Becken für das Wasser formen, während die Sonnebstrahlen es noch in die schmale Schlucht schaffen. Anschließend bauen Hanna und ich unser Zelt für die erste Nacht auf. Es ist ganz schön windig, daher versuchen wir den Windschatten eines Felsens auszunutzen. Da wir mit dem Zelt schon häufiger im Urlaub waren, geht das Aufbauen schnell von der Hand. Anschließend macht sich schon fast lange Weile breit. Da wir schon so früh am Camp waren, wollen wir noch nicht gleich kochen. Nach etwas Zeitvertreib fangen wir aber doch an. Eine gute Entscheidung, denn bis das Wasser kocht, dauert es ewig. Der Gaskocher muss trotz geschützter Stelle ganz schön gegen den Wind ankämpfen. So essen wir schließlich erst im Dunkeln. Es gibt Nudeln mit Pesto. Die Nudeln wurden natürlich mit Flusswasser gekocht. Obwohl wir gar nicht viele Kilometer gemacht haben, sind wir echt hungrig. Die 500 g Nudeln reichen gerade so für uns drei. Nach dem Essen und abspülen legen wir uns noch eine Weile auf einen Felsen und beobachten den Sternenhimmel. Wie auch in den letzten Urlauben ist dieser wieder sehr sehr schön. Die ein oder andere Sternschnuppe ist auch dabei. So geht also der erste Tag im Canyon zu Ende und wir gehen recht früh ins Bett, um fit für den nächsten Tag zu sein. Schließlich stehen mehr Kilometer auf dem Plan als heute.
Tag 1 in Bildern
Tag 2
Um 6:30 Uhr klingelt der Wecker. Noch ist es dunkel. Nach dem Umziehen ist das erste was ich mache, Wasser für unser Frühstück aus dem Fluss zu holen und auf den Kocher zu stellen. Vom Vorabend wussten wir ja, wie lange das Kochen dauern wird. Während das Wasser langsam warm wird, bauen wir das Zelt ab und packen unsere Rucksäcke. Das Wasser kocht schneller als gedacht. Vielleicht liegt es daran, dass es nicht so windig ist. Vielleicht wirkt es aber auch nur so, weil wir währenddessen beschäftigt sind. Die ersten aus unserer Gruppe machen sich bereits auf den Weg. Wir sind trotzdem ganz entspannt - die holen wir schon wieder ein. Zum Frühstück esse ich Instant Schoko-Haferflocken, die ich mit heißem Wasser aufgieße. Dazu gibt es einen Rooibos Tee. Nachdem alles zusammen gepackt ist und bevor wir los gehen, kommt das erste Mal unser Mini-Spaten zum Einsatz... Keine Toilette zur Verfügung zu haben ist Teil des Deals. Also Loch graben, alles Nötige erledigen und wieder zuschaufeln. Auch mal eine Erfahrung.
Dann geht es los. Wieder geht es abwechselnd durch Sand und über Steine. Teilweise müssen wir richtig klettern. Da es so aussieht, als könne man am anderen Ufer besser laufen, wechseln wir die Flussseite. Es gibt immer wieder Stellen, an denen große runde Steine im flachen Wasser liegen, sodass man den Fluss trockenen Fußes überqueren kann. Diese Stellen gefallen mir besonders. Hüpfen von Stein zu Stein mit ein bisschen Nervenkitzel: Jetzt abzurutschen würde im besten Fall bedeuten, nasse Füße zu bekommen.
Kurz nach dem Wechseln der Flusseite sehen wir die ersten aus unserer Gruppe am anderen Ufer. Wie kann das sein? Gefühlt laufen wir erst eine halbe Stunde, die sind aber eine Stunde vor uns losgelaufen... Naja, was soll's. Ich bin froh auf der anderen Seite zu laufen und nicht durch das "Getümmel" der Gruppe zu müssen, die wir überholen. Leider versperrt uns nun ein großer Felsen den Weg. Also wieder hinüber über den Fluss und doch dort an der Gruppe vorbei. Sobald die Möglichkeit besteht wechseln wir aber wieder die Seite. Es ist einfach schöner, nicht an so vielen Menschen vorbei zu laufen, zumal ich die Konversationen über unsere Herkunft und unsere Arbeit in Namibia - die sich zwangsläufig ergeben wenn man mit anderen ins Gespräch kommt - für den Moment langsam Leid bin. Schließlich mache ich diese Wanderung auch, um mal vom Alltag und der Arbeit abzuschalten, da will ich nicht jeder Person erklären, dass ich einen Freiwilligendienst hier mache und wie dieser genau aussieht.
Auf der kleinen Karte, die wir von Lorenzo bekommen hatten, ist ein Punkt namens Vespa eingezeichnet. Ich hatte schonmal in einem Video über den Canyon ein Bild von einem Vespa-Wrack gesehen, dass es im Canyon gibt. Das muss es sein. Leider tun wir uns mit der Navigation etwas schwer. Verlaufen kann man sich zumindest an dieser Stelle im Canyon zwar nicht wirklich, da wir die Nacht aber nicht am geplanten und eingezeichneten Punkt verbracht haben, fällt es uns aber schwer unseren aktuellen Standort auf der Karte auszumachen. Irgendwann demnächst muss die Vespa doch kommen! Aber ist sie auf der linken oder rechten Flussseite? Wo sollten wir am besten laufen? Nach einer Weile treffen wir Lorenzo und seinen Assistenten Romario, die gerade ihre Frühstückspause einlegen. Auch sie haben die Vespa nicht gesehen aber versichern uns, es könne nicht mehr weit sein. Wir gehen also erstmal weiter, bevor auch wir um die nächste Ecke einen schönen Platz für eine kurze Verschnaufpause finden. Wasser trinken und nachfüllen, ein paar Steine flitschen lassen und kurz in die Sonne legen. Noch immer kann ich die Schönheit des Canyons gar nicht richtig begreifen.
Es geht weiter. Im nächsten Abschnitt sind erneut unsere Kletterkünste gefragt. Der Weg führt über kleine und große Felsbrocken. Das schwierige dabei ist, dass man keine Fußspuren mehr sieht, den man folgen kann. Wir müssen uns also unseren eigenen Weg bahnen. Das ist aber auch gerade toll an dieser Wanderung. Es ist nicht alles haarklein Vorgegeben und man folgt keinem definierten Pfad, sondern einfach dem Canyon. Ich genieße es sehr, in unserer kleinen Dreiergruppe zu wandern und finde es schön, dass wir nicht im Entenmarsch hinter dem Guide hinterher spazieren müssen, man sich aber trotzdem immer Mal wieder über den Weg läuft. So wandern wir weiter und weiter. Ein Fuß nach dem anderen, über Steine und durch Sand.
Nach eine Weile erreichen wir dann ein Highlight des zweiten Tages. Auf der anderen Seite des Flusses stehen zwei Wildpferde, die ganz entspannt fressen. Wahnsinn, was für eine Ruhe sie ausstrahlen und Wahnsinn, wie tief im Canyon sie leben. Sie sehen obendrein noch sehr wohlgenährt und gesund aus. Und das, obwohl der Canyon alles andere als eine grüne Oase ist. Es gibt zwar Wasser und einige Büsche und Bäume, aber doch auch sehr sehr viel trockenen Sand und Steine. Ein paar Minuten stehen wir einfach nur da und schauen den Wildpferden zu, bevor wir weiter gehen und eine Wandergruppe aus Südafrika treffen, die gerade ihre Mittagspause macht. Wir fragen nach der Vespa und erfahren, dass wir sie offensichtlich verpasst haben. Sie liegt schon weit zurück. Wahrscheinlich passierten wir sie sogar bevor wir Lorenzo bei seiner Frühstückspause getroffen haben, er hat sie also ebenfalls verpasst. Sie befand sich auf der linken Flussseite, während wir vermutlich auf der rechten waren. Sehr schade, aber das ist dann wohl der Preis den man zahlen muss, wenn man nicht dort laufen will, wo alle anderen es tun. „Nicht schlimm.” sage ich mir, schließlich sind wir für den Canyon an sich und die Natur hierher gekommen, nicht für ein altes Vespa-Wrack.
Weiter geht die Wanderung über eine sehr lang gezogene Linkskurve. An dieser Stelle ist der Canyon auf einmal sehr breit. Wir halten uns nah am Fluss. Der Weg ist beschwerlich. Weit und Breit sind sind nur Runde große Steine und Geröll zu sehen. Das Laufen erfordert hohe Konzentration, um nicht umzuknicken und sich zu verletzen. Keine Möglichkeit, Mal den Blick zu heben und den Canyon zu genießen. Auch Fußspuren sind natürlich keine zu sehen. Wieder muss man sich den Weg also selbst bahnen. Diese Kurve zieht sich ein wenig. Irgendwann bin ich ermüdet von dem Geröll und schlage vor nicht mehr direkt am Fluss zu gehen, sondern die Kurve etwas abzukürzen und auf die innere Felswand zuzuhalten. Meine Schultern und mein Rücken fangen an zu schmerzen. Zudem scheuert der Hüftgurt ein wenig. Nach einer Weile finden wir so einen breiten Trampelpfad der direkt an der Felswand entlang führt und sehr gut zu laufen ist. Das erste Mal ist der Boden wirklich fest, ohne dass er nur aus Felsbrocken besteht. Hätten wir uns Mal gleich an der Innenkurve gehalten. So sind wir eine deutlich weitere Strecke gelaufen, die zudem noch deutlich beschwerlicher war. Aber naja... Wissen wir für das nächste Mal. Um die Ecke finden wir endlich wieder Schatten und machen unsere Mittagspause. Das Menü besteht aus Müsliriegeln, getrockneten Früchten, Nüssen und einem Apfel. Endlich etwas zu essen. Das Frühstück ist schon eine Weile her und ich habe echt Hunger.
Die Pause tut echt gut und danach haben wir alle wieder mehr Kraft und bessere die Laune. Weiter geht es also. Bei einem Blick zurück fällt uns auf, dass oben auf der Canyon-Kante Felswände stehen. Das müssen die Walls of Jericho sein, der nächste Punkt der auf unserer Karte eingezeichnet ist und den wir gesucht haben. Ohne es zu wissen, haben wir genau dort unsere Pause gemacht. Wir kennen nun also endlich unsere Position auf der Karte. So weit ist es gar nicht mir zum geplanten Campingspot. Also geht es mit neuer Motivation weiter. Kurze Zeit später erreichen wir den ersten Emergency Exit. Sollte etwas passieren, kann man den Canyon hier verlassen. Man muss dafür aber natürlich die Canyonwand hinauf. Wie man das mit einem gebrochenen Bein oder einer anderen Verletzung schaffen soll bleibt mir ein Rätsel. Glücklicherweise ist das bei uns nicht der Fall und wir gehen weiter. Um die nächste Ecke finden wir eine schöne Stelle zum Baden und Vanessa und ich gehen ins Wasser. Beim Schwimmen stoße ich mir schmerzhaft den Fuß an einem Felsen. Als ich aus dem Wasser komme, merke ich, dass der Fuß etwas blutet. Na toll, das ist wird mich jetzt bestimmt die nächsten Tage begleiten. Notdürftig säubere ich die Wunde im Wasser, bevor es unter leichten Schmerzen weiter geht. Danach dauert es dann aber wirklich nicht mehr lang, bis wir bei den Palm Springs die anderen aus unserer Gruppe treffen, die vorweg gelaufen sind. Dort wartete die nächste Überraschung auf uns: Es gibt heißes Wasser. Und wenn ich heiß sage, meine ich das auch. Durch irgendeine chemische Reaktion mit Schwefel wird das Wasser der Quelle so stark erhitzt, dass man sich daran verbrennt. Dort, wo das Wasser der Quelle sich mit dem Flusswasser mischt, kann man ein angenehm warmes bis heißes Bad nehmen. Wir verbringen sehr viel Zeit im Wasser. Erst in das kalte, dann ins warme und schließlich wechsle ich immer hin und her. Eine echte Wohltat für die Muskeln, die sich die sich im Wasser so richtig entspannen können.
Anschließend wasche ich erstmal meine Klamotten im Fluss, bevor wir unser Zelt aufbauen. Heute campen wir etwas abseits von den anderen, da der Platz ziemlich klein und eng ist. Zum Abendessen kochen wir Reis mit einer Erbsen-Curry-Soße. Bis die getrockneten Erbsen durch sind, dauert es eine gefühlte Ewigkeit. Nachdem wir endlich gegessen haben (ich hatte echt Hunger) machen wir uns schnell bettfertig und gehen schlafen, da wir echt erschöpft sind.
Leider wird die Nacht nicht ganz so erholsam wie erhofft. In der Nähe unseres Zeltes sind Geräusche zu hören, als würde irgendwo eine Maus nagen. Und tatsächlich, es ist eine Maus in Vanessas Rucksack. Nachdem Hanna sie freundlich herauabuchsiert, kehrt das Geräusch aber immer wieder. Mal aus Vanessas Rucksack und mal aus Hannas, sodass wir schlussendlich unsere Rucksäcke mit ins Zelt nehmen. Mit weniger Platz aber dafür Ruhe versuchen wir die letzten 5 Stunden Schlaf auszunutzen. Zumindest müssen wir uns so keine Sorge um unser kostbares Essen machen.
Tag 2 in Bildern
Tag 3
Wieder klingelt um 6:30 Uhr der Wecker. Als es noch nicht Mal richtig hell ist, macht sich der erste Teil unserer Gruppe schon auf den Weg. Auch wir laufen heute eher los als gestern (wenn auch immer noch als letztes), da wie unsere Essens- und Pausenstrategie anpassen. Nachdem das Zelt und alles weitere im Rucksack verstaut ist, brechen wir ohne Frühstück auf und machen dafür unterwegs eine Frühstückspause. So kommen wir früher los und nutzen unsere restliche Energie noch aus, bevor wir richtig Hunger bekommen. Schnell überholen wir Teile unserer Gruppe und andere Gruppen, die ebenfalls bei den heißen Quellen geschlafen haben. Dabei grüßt man sich mittlerweile wie alte Bekannte. Der Untergrund lässt sich super laufen. Nach ein paar Geröllpassagen kommt ein relativ fester Untergrund, auf dem wir schnell voran kommen. Erstaunlich, wie sich das Bild des Canyons verändert. Stellenweise wird er richtig breit, sodass man sich weit vom Fluss weg bewegt und in eine weite, karge Landschaft blickt. Mittlerweile bewegen wir uns im Canyon viel selbstverständlicher. Wir überqueren den Fluss so, dass wir stets die Innenkurve und somit möglichst den kürzesten Weg nehmen. Nicht noch einmal wollen wir so einen Umweg laufen wie am Vortag.
Auf der Suche nach einem geeigneten Frühstücksplatz sehen wir unsere ersten Paviane im Canyon. Also müssen wir noch etwas weiter laufen, da wir beim Frühstück nicht von Affen überfallen werden wollen, die uns unser Essen streitig machen. Alles ist auf fünf Tage ausgelegt, wir haben keine Notration dabei. Da ist vorsicht geboten, einen Teil des Essens and diebische Paviane zu verlieren, käme (zumindest für mich) einer mittelschweren Katastrophe gleich. Wir legen also schon vor unserer ersten Mahlzeit geschätzte fünf Kilometer zurück. Dann fällt die Frühstückspause relativ lang aus. Über eine Stunde warten wir auf unser heißes Wasser. Während unseres Frühstücks werden wir dann wieder von lauter Menschen überholt, darunter auch der langsamere Teil unserer Gruppe.
Nach der nächsten Flussüberquerung werden wir von Onkel Frans (Guide der Gruppe, die zeitgleich mit uns gestartet ist) auf einen Shortcut hingewiesen. Es geht für eine kurze Strecke steil bergauf. Wie auf einem kleinen Bergpass. Das ist Mal eine echte Abwechslung. Von oben hat man einen schönen Blick und generell macht das Laufen des schmalen Trampelpfades sehr viel Spaß. Ich bin froh, dass wir diesen Shortcut gelaufen sind. Heute ist es insgesamt eine schöne Abwechslung. Manchmal läuft man über Geröll und manchmal über tieferen Sand oder feste Pfade, sodass man auch Mal aufschauen und den Blick genießen kann. Aber nie so lange, dass es langweilig wird.
Mittags machen wir eine kleine Badepause bei den sogenannten Zebra Pools. Gerade macht sich dort eine Gruppe aus Südafrika wieder auf den Weg, die wir schon häufiger trafen und die gerade ihre Mittagspause beendet. Warum der Ort Zebra Pools heißt weiß ich nicht. Zebras sind zumindest nicht zu sehen, auch wenn es hier im Canyon wohl welche geben soll. Das Wasser ist eine schöne Abkühlung und das Schwimmen hilft, die Muskeln ein wenig zu entspannen. Hunger haben wir jedoch noch nicht (das spätere Frühstück zahlt sich aus), sodass wir nach dem Schwimmen direkt weiter laufen. Kurz bevor wir starten kommt Lorenzo vorbei und erzählt uns, dass er versucht, den Rest unserer Gruppe einzuholen, der als erstes losgelaufen ist. Wir laufen entspannt hinterher, bis sich langsam doch ein leichtes Hungergefühl bemerkbar macht und wir entscheiden, eine späte „Mittagspause“ einzulegen. Wir wollen gerade weiter, als Onkel Frans vorbei kommt und uns erzählt, dass wir bereits den geplanten Übernachtungspunkt erreicht haben. Wir können kaum glauben, dass wir schon über 20 km gelaufen sein sollen. Der Rest der Gruppe ist nicht in Sicht und auch Lorenzo ist scheinbar weiter gelaufen. Unsicherheit über unser weiteres Vorgehen macht sich breit. Sollen wir nun hier bleiben wie es geplant war oder weiter gehen, um die anderen vielleicht noch zu finden. Hanna und Vanessa bleiben schließlich um unser Geschirr zu spülen, während ich ohne Rucksack um die nächste Kurve laufe um zu sehen, ob ich dort das Camp der anderen entdecken kann. Fehlanzeige. Ich kann niemanden finden. Schließlich gehen wir ein Stück zurück, wo Onkel Frans mit seiner und mit dem langsameren Teil unserer Gruppe ein Camp aufgeschlagen hat. Wir wollen nochmal mit ihm sprechen, bevor wir über unser weiteres Vorgehen entscheiden. Die Entscheidung fällt schließlich darauf noch etwas weiter zu laufen, da wir uns lediglich auf eine Mittagspause eingestellt hatten und nicht darauf, dass wir schon am Tagesziel sind. Onkel Frans empfiehlt uns einen schönen Spot zum Campen, wo er auch den Rest unserer Gruppe vermutet. Das ist also unser neues Ziel. Zumindest weiß er so Bescheid, wo wir sind, selbst wenn wir den Rest unserer Gruppe dort nicht antreffen.
Auf dem Weg dorthin haben wir einige kleine Kletterpassagen zu passieren und den Fluss zu überqueren. Binnen 40 Minuten erreichen wir den Ort, wo wir jedoch keine Menschenseele finden. Da es schon nach 17 Uhr ist entscheiden wir, trotzdem alleine hier zu bleiben und die anderen nicht weiter zu suchen. Letztendlich eine gute Entscheidung, denn wir haben einen sehr schönen Abend. Zum Schwimmen taugt die Stelle zwar nicht wirklich, da das Wasser sehr flach ist, aber wir schaffen es noch im Hellen, Feuerholz zu sammeln und unser Nachtlager aufzubauen. Zu essen gibt es heute Abend Nudeln und Käsesoße mit Erbsen und Pilzen. Erstaunlich lecker muss ich sagen. Essen tun wir am Lagerfeuer und können dabei den Sternenhimmel beobachten. Wirklich schön, auch mal eine Nacht nur unter uns zu sein. Nachdem wir uns nach dem Essen noch eine Weile am Feuer unterhalten, gehen wir schlafen. Es war ein schöner Tag mit abwechslungsreichen Landschaften und Laufstrecken. Dafür, dass wir fast 10 km mehr als am Vortag zurückgelegt haben, war er sogar gar nicht so anstrengend.
Tag 3 in Bildern
Tag 4
Der vierte Tag geht mit einem echten Highlight los. Wir starten wie immer damit, unser Zelt und unsere Sachen zusammenzupacken, als ich in der Nähe plötzlich Geräusche höre, die ich nicht ganz zuordnen kann. Vielleicht ein Tier? Ich folge langsam und leise der Richtung, aus der die Geräusche kommen. Und siehe da! Etwas weiter oben steht ein Wildpferd, welches mich direkt anschaut. Es ist überhaupt nicht weit weg von mir. Schnell winke ich Vanessa herbei. Hanna ist noch am Fluss und spült unser Geschirr, ich will aber nicht nach ihr rufen, um das Pferd nicht zu verschrecken. Kurz darauf kommen sogar noch zwei weitere Pferde dazu. Auch Hanna kommt nach oben, um das Spektakel zu bestaunen. Bestimmt eine viertel Stunde beobachten wir die Pferde, wie sie runter zum Fluss gehen, einen kleinen Machtkampf führen, galoppieren und schließlich den Fluss überqueren, um am anderen Ufer zu grasen. Einfach ein total schönes Erlebnis! Und das noch bevor wir überhaupt aufgebrochen sind. So hat es sich noch mehr gelohnt, dass wir gestern nicht weiter gelaufen sind, um die anderen der Gruppe noch zu finden.
Schließlich brechen wir auf und laufen um die Vasbyt Bend. Eine lang gezogene Rechtskurve dessen Name (Vasbyt) frei übersetzt so etwas wie „Halte durch“ bedeutet. Vermutlich, weil man nach dieser Kurve schon etwa die Hälfte des Canyons geschafft hat. Wir passieren die 40 km Marke. Unten am Fluss sieht es nach einem schönen Platz zum Campen aus und es sind Fußspuren zu sehen. Vielleicht hat dort unsere Gruppe übernachtet? Vielleicht aber auch die Südafrikaner, die wir bei den Zebra Pools getroffen hatten. Wenn es unsere gewesen wäre, hätte Lorenzo dort bestimmt auf uns gewartet, aber niemand war zu sehen. Eigentlich wäre es schon gut, sie zu treffen, da heute der erste größere Shortcut kommt, den man leicht übersieht, wenn man den Canyon nicht kennt. Naja, egal... Wir gehen erstmal weiter, vielleicht finden wir sie ja noch. Eigentlich müssten wir den Fluss überqueren, um die Innenkurve zu nehmen, doch auf der anderen Seite sehen wir Paviane. Da wir ihnen nicht begegnen wollen, zögern wir den Uferwechsel noch etwas hinaus. Es folgt eine lang gezogene Linkskurve und ein gutes Stück geradeaus. In der nächsten Kurve, als wir gerade nach einem schönen Platz für unser Frühstück suchen, kommt uns dann Lorenzo entgegen und erzählt uns, die anderen hätten hier ein paar Meter weiter gecampt. Wir sind bis dorthin bestimmt schon 5 km gelaufen und waren ja auch gestern weiter gelaufen als geplant. D.h. die anderen sind gestern bestimmt 6 oder 7 km über das Tagesziel hinausgeschossen, ohne dass wir etwas davon wussten. Ein weiteres Mal: Gut, dass wir gestern nicht noch versucht haben, sie zu finden. So weit wären wir eh nicht mehr gekommen.
Wir machen also in deren Camp unsere Frühstückspause und wollen dann gemeinsam mit Lorenzo durch den Shortcut laufen. Er erzählt uns, dass die anderen schon unterwegs sind. Ein Teil unserer Gruppe will heute noch bis Ai-Ais laufen und die Wanderung beenden, ein anderer Teil auch schon etwas weiter, damit sie am letzten Tag nicht mehr so viel vor sich haben. Für den Rest der Wanderung ist unsere Gruppe nun also deutlich kleiner geworden. Während der Pause trifft auch Onkel Frans mit dem Rest unserer Gruppe ein. Viel eher als wir erwartet hätten. Auch sie machen dort eine Pause. Wir laufen mit Lorenzo schon los. Der Shortcut ist wirklich gut versteckt und ich bin nicht sicher, ob wir ihn allein gefunden hatten. Gut also, dass Lorenzo auf uns gewartet hat. Es ist wieder wirklich schön. Ein bisschen länger als der gestrige Shortcut aber die Wirkung ist ähnlich. Er bringt sehr viel Abwechslung in den Canyon, da wir nicht mehr nur dem Fluss folgen, sondern nun auf kleinen Bergpfaden unterwegs sind. Wir auf die anderen, damit die Gruppe nicht wieder getrennt wird, wie in der letzten Nacht. Während sie eine Mittagspause einlegen wollen, laufen wir mit Lorenzo weiter. Unser Frühstück war schließlich noch nicht lange her. Auch den nächsten Shortcut, kurz hinter der 50 km Marke, hätte man leicht verpassen können, wenn man nicht rechtzeitig die Flussseite gewechselt hätte. Und wieder zeichnet sich ein neues Bild. Dieser Weg wirkte auf mich nicht die ganze Zeit wie auf einem Bergpfad (wie die vorigen Shortcuts), sondern zeischendurch finde ich mich auf einer weiten und kargen Fläche wieder, die eher wie eine Steinwüste anmutet. Als wir wieder zum Fluss kommen, befinden wir uns am „Four Finger Rock“. Mit viel Fantasie kann man beim besagten Felsen 4 dicke Wurstfinger erkennen. Dort sollten wir laut Plan übernachten. Eigentlich wollen wir aber nur unsere Mittagspause machen und sobald die anderen uns einholen noch ein bisschen weiter laufen, um morgen am letzten Tag weniger als 22 km vor uns zu haben. Wir essen also etwas und ich gehe kurz baden. Schwimmen ist wegen zu geringer Wassertiefe leider nicht möglich. Schade, da hatte ich mich schon so drauf gefreut.
Als die langsamere Gruppe ankommt ist es leider schon 16:30 Uhr, sodass wir nicht mehr weiter gehen, sondern hier bleiben. Wir schlagen unser Zelt auf und kochen Reis mit einer Pilzsoße zum Abendessen. Es ist etwas unruhig, da wir nicht wie am Vorabend alleine, sondern in einer größeren Gruppe campen. Ich vermisse die Ruhe ein wenig. Im Dunkeln laufen einige der anderen mit einer Blaulicht-Lampe herum und ich Frage mich schon, wofür sie gut ist, bis laut gerufen wird, dass es hier Skorpione gibt. Und tatsächlich, die kleinen weißen Dinger leuchten, wenn sie mit blauem Licht angestrahlt werden. Ich checke nochmal alle Sachen, die ich draußen ausgebreitet hatte und Räume sie vorsichtshalber in meinen Rucksack. Zum Glück haben wir ein Zelt und ich muss nicht draußen schlafen. Vanessa hingegen hat keins dabei und lässt sich von Lorenzo versichern, dass die weißen Skorpione nicht gefährlich seien. Ich bin schon ziemlich müde und habe auch sonst nicht so Lust auf gemeinsames Sitzen am Lagerfeuer, sodass es mich früh ins Bett verschlägt, während draußen noch Unruhe herrscht. Unglaublich und etwas traurig, dass nun schon der vierte von 5 Wandertagen vorbei sein soll...
Tag 4 in Bildern
Tag 5
Heute geht es etwas eher los als die Tage zuvor. Da wir 22 km vor uns haben ist die Abmachung, dass wir um 7 Uhr los laufen. Der Wecker klingelt also schon um kurz vor 6 und draußen sind schon Stimmen zu hören. Zunächst dann erstmal same procedure as everyday: Zelt abbauen, Sachen zusammen packen, Wanderschuhe anziehen. Langsam fängt es an zu dämmern. Heute sind überraschenderweise Wolken am Himmel. Es ist komplett bedeckt. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet, da die letzten Tage immer strahlend blauer Himmel war. Der Sonnenaufgang kriegt dadurch aber einen ganz besonderen Flair und die Wolken schimmern tief rot am Himmel.
Sobald es hell genug ist, setzen wir uns gegen 7:10 Uhr in einer 6er Gruppe in Bewegung. Die anderen brechen kurz darauf auch auf. Den Fluss und den ersten Hügel passiert, sehen wir den „Four Finger Rock“ von der anderen Seite. Nun braucht man gar nicht mehr so viel Fantasie, um darin vier Finger zu erkennen. Ein kleines Stück weiter kommen wir zum auf der Karte eingezeichneten Punkt „von Trotha's grave“. Ich hatte mich schon vorher gefragt, was es damit auf Sich hat. Liegt dort tatsächlich Lothar von Trotha begraben, der seinerzeit zum Völkermord an den Herero und Nama aufrief? Scheinbar nein. Auf dem Grabstein ist von „Leutnant Thilo von Trotha“ die Rede. Leider kann Lorenzo zu der Geschichte auch nichts sagen, das muss ich also mal im Internet nachlesen, sobald ich wieder Netz habe. Es ist jedenfalls schon überraschend, mitten im Canyon auf einmal ein Grab zu finden.
Von hier geht es erstmal weiter den Fluss entlang. Der Canyon sieht immer weniger wie ein Canyon aus. Das Flussbett ist breiter und es sind keine so steilen Felswände mehr zu sehen. Es sieht eher aus wie ein Fluss zwischen Bergen. Nach der nächsten Flussüberquerung legen wir eine Frühstückspause ein. Die letzte Haferflockenration landet in meiner Schüssel, was mir verdeutlicht, dass die Wanderung nun wirklich schon heute zu Ende geht. Sehr schade. Die Zeit ist rasend schnell verflogen. Das Wetter lässt den heutigen Tag ganz anders wirken als die vorigen. Langsam reist der Himmel ein wenig auf. Die grauen Wolken verfärben sich weiß und zwischendrin ist blauer Himmel zu sehen. Das Wasser ist so glatt, dass sich die Wolken und angrenzenden Berge darin spiegeln. Was für ein Bild.
Wir folgen weiter dem Fluss und überqueren ihn auf einmal auf einer Betonbrücke. Ich bin völlig erstaunt und überrascht. Wie kommt die denn hierher. Bei einem Blick auf die andere Flussseite tun sich zwei kleine Gebäude auf. Zivilisation? Die Gebäude stehen allerdings leer. Früher wurde hier mal ein kleiner Shop für die Wandernden betrieben, in dem es kalte Getränke und Snacks gab. Kurze Zeit später nehmen wir den nächsten Shortcut. Er hat sogar einen eigenen Namen „Bandage Pass“. Und dann wurde mir auch klar warum er einen eigenen Namen hat. Für mich ist es der schönste Shortcut von allen. Vanessa bringt es auf den Punkt: „Da fühlt man sich ja wie im Hochgebirge.“ Es war schon wieder eine komplett andere Szenerie. Wer diesen Shortcut nicht läuft, legt nicht nur deutlich mehr Strecke zurück, sondern verpasst auch eine wahnsinnig tolle Abwechslung zum Rest der Wanderung.
Wieder am Fluss angekommen sehen wir auf der anderen Seite auf einmal den Rest unserer Gruppe. Ohne uns zu sehen, müssen sie während unserer Frühstückspause an uns vorbei gezogen sein. Wir entscheiden, den letzten Shortcut als Gruppe zu absolvieren, da der Weg hier manchmal nicht ganz eindeutig ist. Und in der Tat, ich fühlte mich wie in einer von Bergen umzingelten Steinwüste ohne erkennbaren Trampelpfad. Woher soll ich da wissen, in welche Richtung ich gehen muss? Die Guides navigieren uns zum Glück sicher bis zur 80 km Marke. Hier machen wir eine kleine Pause und nehmen ein paar Gruppenbilder auf. Die 80 km stimmen wegen der Abkürzungen natürlich nicht mit unserem Weg überein sondern sind entlang des Flusses bemessen. Onkel Frans sagt, dass wir nur noch 5 km bis zum Ziel vor uns hätten. Also nochmal die Kräfte mobilisieren und los geht's. Ab hier dürfen wir wieder alleine laufen. Immer den Fluss entlang. Hier über ein paar große Geröllsteine, dort durch tiefen Sand wie bei einer Strandwanderung. Es ist noch einmal sehr sehr schön.
Nachdem wir ein letztes Mal den Fluss überqueren ziehen sich die letzten beiden Kilometer aber nochmal ganz schön in die Länge. Entlang eines kleinen Trampelpfades wird es immer grüner. Es taucht eine Wasserleitung auf, die neben dem Pfad entlang führt und ich denke mir, dass das Ziel Ai-Ais ja nun jeden Moment kommen müsste. Aber es geht weiter und weiter. Jemand kommt und entgegen mit den Worten „One kilometer to go!“. Wirklich? Immer noch ein Kilometer? Das kann doch nicht sein! Die Aussage von Frans, es seien noch 5 Kilometer kann doch nicht gestimmt haben. Naja, einfach weiter, immer weiter. Auf einem Stein steht geschrieben „Amper daar!“ (das soll wohl heißen, dass wir fast da sind), etwa hundert Meter weiter kommt der nächste beschriftete Stein: „Cold Beer!“ Und dann kommt ein kleiner Damm. Menschen sind auf der anderen Seite am Fischen und applaudieren uns: "Well done you are almost there. 200 metres and you can have an icecold beer. Good job guys." Wir wissen, dass es in Ai-Ais einen warmen Pool gibt, sehnen uns aber eher nach einer Abkühlung. Also springen wir hier noch ein letztes Mal in den Fluss. Schön kalt und schade, dass es das letzte Mal sein wird. Aber auch ein schönes Gefühl, es geschafft zu haben. Nach dem Baden legen wir die letzten Meter barfuß durch den Sand zurück. Und da sind wir: Ai-Ais. Es ist ca. 15:10 Uhr. Wir biegen um die Ecke und dort liegen Rudolph und Andrea aus unserer Gruppe im Rasen, die schon heute Vormittag angekommen sind. Wir werden freudig begrüßt. Rudolph läuft und leutet für uns eine Glocke und wir bekommen Applaus von allen Seiten. Wir tauschen uns mit ihnen über unsere Erlebnisse aus und beenden die Wanderung, indem wir unsere Rucksäcke an die Haken hängen. Auch Wanderer aus der südafrikanischen Gruppe treffen wir wieder. Sogar sie hatten mitbekommen das wir in der einem Nacht von unserer Gruppe getrennt waren und erzählen uns, dass sie sich Sorgen gemacht haben, da sie in der Nacht Paviane kreischen hörten und Angst hatten, wir seien in Schwierigkeiten. Wir können sie zum Glück beruhigen. Ganz im Gegenteil hatten wir ein wunderschönes Erlebnis mit den Wildpferden in unserem Camp. Über all solche Sachen tauschen wir uns gegenseitig aus. Und alle sind sich einig: Die Wanderung war etwas ganz besonderes und eine unglaublich tolle Erfahrung.
Nachdem wir noch kurz im warmen Pool waren, sind auch die letzten aus unserer Gruppe angekommen und wir reisen wieder ab. Zunächst 4 Stunden Autofahrt nach Keetmanshoop um dort zu übernachten und am nächsten Tag weiter nach Windhoek zu fahren. Am Abend essen wir alle gemeinsam in unserer Lodge und tauschen uns weiter über unsere Erfahrungen während der Wanderung aus. Es war ein schöner Abschluss eines ganz besonderen Urlaubs.
Tag 5 in Bildern
Ich bin unglaublich froh, diese Wanderung gemacht zu haben. Noch immer bin ich völlig begeistert davon, wie vielfältig der Canyon war. Anfangs eng und steil und am Ende immer offener, breiter und grüner. Die Abkürzungen über die Berge und die Begegnungen mit den Wildpferden haben nochmal ganz andere Eindrücke hinzugefügt und das Naturerlebnis abgerundet. Für die Muskeln war dieser Urlaub zwar wenig entspannend, für die Seele aber umso mehr. Fünf Tage lang in der Natur mit nur dem Nötigsten und ohne ständige Nachrichten auf dem Smartphone wirken da wirklich Wunder! Die Gedanken über die Schule, die Projekte und die Zukunft rücken da wirklich in ganz weite Ferne. Diese fünf Tage habe ich einfach nur genossen! Ich hoffe, ihr könnt das anhand meines Berichtes und der Fotos wenigstens ein bisschen nachempfinden.
Nun sitze ich im Bus zurück nach Ongwediva und blicke dem nächsten Abenteuer entgegen: Übermorgen geht es in die Zambezi-Region, wo wir mit JP mal anders arbeiten werden als sonst.